„Why do you make life so complicated?“

Jedermann: Der teuerste Badestopp unserer Törn-Geschichte

„Why do you make life so complicated?“

Im Stadthafen der Insel Hvar werden viele originelle Anlegemanöver dargeboten. Ich darf ohne Schadenfreude spotten, weil ich hier dereinst in voller Montur im Hafenbecken planschend von Touristen fotografiert wurde. Hvar gleicht einem Amphitheater. Salzburg hat den Jedermann – Hvar hat den Ankermann. Diese Festspiele werden durch den heimtückisch böigen Seitenwind mitunter zu einem Spektakel.

Fischer und Taxifahrer kauern in ihren Booterln, während speziell die Jungskipper aus Binnenländern die Nerven wegschmeißen. Der Gesichtsausdruck der verschmitzten Beobachter gleicht dem der Kulturkritiker bei der Premiere in Salzburg, wenn sich die Buhlschaft als Fehlbesetzung entpuppt. Applaus gibt es erst, wenn sich der Rudergänger nach dem vierten Fehlversuch entschließt, doch lieber die ACI-Marina anzusteuern: Die paradiesische Marina Palmižana liegt im Pakleni-Archipel direkt vor der Altstadt und ist ausschließlich per Boot zu erreichen. Das wiederum bedeutet Business für die Taxler! Der Sage nach wird gelost, wer von ihnen abends die gut gelaunten, gut riechenden und gut gekleideten Damen aus dem Archipel zum Bummeln und wieder zurück schippern darf. Der Trostpreis geht an den Kollegen, der die stinksauren Männer nachliefern muss. Die Arschkarte zieht jener Fischer, der die schlagseitigen Männer mitten in der Nacht wieder zurückführen darf, wenn die echten Taxler längst schlafen. Und danach muss er auch noch zum Fischen rausfahren.

Um genau so einen übernächtigen Fischer – nennen wir ihn Grantic – geht es im Folgenden: Grantic zählt gerade sein Schmerzensgeld aus der Nachtschicht, als er einen Anker fallen hört. Nicht im Hafen, sondern draußen vor den Pakleni-Inseln. Sofort heult seine innere Schiffssirene auf. Noch bevor der Anker auf Grund fällt, hat Grantic den Tuk-Tuk angelassen, steht wild gestikulierend im Boot und rattert schnurstracks auf die Yacht zu. Kaum in Hörweite, brüllt er: „Why do you make life so complicated!“ In unserer Crew ist dieser Satz zur Legende geworden und findet noch heute nach der kleinsten Fehlleistung Anwendung. Sollte Grantic genauso inbrünstig „Jedermann!“ in die Landschaft schmettern können, wäre er ein Geheimtipp für die Salzburger Festspiele.

Sein Monolog erfolgt auf Englisch mit typisch kroatischem Einschlag. Hier die Übersetzung ins typisch kroatische Deutsch: „Warum du machst Leben so schwer? Ganze Pakleni Inseln du tausend Ankerplatze! Nur hier is einzige, was is nix Ankerplatz! Schaust du weiße und blaue Bälle in Wasser? Zwanzig Fallen für Hummer! Mich eine kosten finfhundert Kuna. Dich finftausend! Wenn du ziehen die Anker, is alle kaputt! Finftausend mal zwanzig is hunderttausend Kuna! Nehme ich finfzehntausend Euro. Wir quitt?“

Schuldbewusst und verärgert über meine eigene Blödheit, verspreche ich dem sehr erregten Grantic untertänigst, den Anker zu heben, ohne Schaden anzurichten. Erst jetzt bemerke ich die Fischerbojen. Bei der Suche nach einem Platzerl für einen Badestopp hab‘ ich sie einfach übersehen: Tief stehende Sonne, Wasserspiegelungen – fadenscheinige Ausreden, ich weiß eh.
Die blöden Kommentare der Crew sind nicht hilfreich: „Abendessen gesichert!“ Oder: „Frag ihn, welche Sauce er zum Hummer empfiehlt.“ Oder: „Hat er auch Langusten?“ Einen der Quatschköpfe schick‘ ich mit Taucherbrille unters Boot. So gelingt es, den Anker ohne Hummerkäfig zu heben. Die Laune des Fischers dreht um 180 Grad. Er schiebt unter der Reling eine Visitenkarte durch: „Restaurant gehört meine Bruder, is nix weit“, strahlt Grantic, der in Wahrheit Sretan heißt – auf Deutsch „Fröhlich“.

An diesem Abend aßen wir den besten Hummer unseres Lebens. Mit zerlassener Butter. Nur eine Taxifahrt von Hvar entfernt. Wir mussten die Hummerfallen nicht ersetzen. Und trotzdem: Es hvar der teuerste Badestopp unserer Törn-Geschichte.

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