Blick in die Zukunft
Weiblicher Nachwuchs im Spitzensegelsport ist rar. Judith Duller-Mayrhofer hat nachgefragt, woran das liegen könnte, und stellt sechs junge Athletinnen vor, die sich das Ziel Olympia auf ihre Fahnen geheftet haben
Eine Vorreiterrolle in Sachen Geschlechtergerechtigkeit nimmt der olympische Segelsport nicht gerade ein: Bislang hat man stets mehr Herren- als Damen-Medaillen vergeben (auch wenn das Verhältnis seit Einführung der ersten Frauen-Klasse 1988 stetig besser wurde), ein Gleichstand wird erstmals 2024 vor Marseille erzielt. Der Österreichische Segel-Verband entsandte zwar zu den letzten Spielen mit drei Athletinnen und drei Athleten eine perfekt ausgeglichene Flotte, scrollt man durch die aktuellen Kader-Listen im Jugend- und Juniorenbereich, sind die Burschen aber klar in der Überzahl – offenbar wollen sich nur wenige Nachwuchs-Seglerinnen für den Leistungssport entscheiden.
Über das Warum hat sich Gundi Kitzmüller schon viele Gedanken gemacht. Die 49-Jährige steht dem 2018 vom OeSV gegründeten Fachausschuss für Genderangelegenheiten vor, ist ehemalige Nationalteam-Handballspielerin, erfolgreiche Hobie16-Vorschoterin sowie Mutter zweier segelbegeisterter Kinder; die 18-jährige Tochter versucht gerade, in der Olympia-Szene Fuß zu fassen. Das Thema beschäftigt sie daher auf unterschiedlichen Ebenen, wobei sie für den Mädchen-Mangel vielfältige Ursachen ortet. „Es fehlen in vielen Bereichen weibliche Vorbilder im segelsportlichen Kontext“, lautet ihre Analyse, „das beginnt ganz banal im Club und in der Familie. Wie oft erleben Kinder, dass ihre Mutter, Tante oder Oma das Segeln als kompetitiven Breitensport betreibt? Ganz, ganz selten. Daher identifizieren sich die Mädchen viel weniger mit dieser Rolle und sehen diesen Weg für sich schlichtweg nicht.“
Noch eklatanter ist das Ungleichgewicht im Bereich der Trainer und Betreuer, der (abgesehen von der Jüngsten-Szene) eine reine Männer-Domäne ist. Während für Nachwuchssegler bei Trainingsaufenthalten oder Regatten also zumindest ein gleichgeschlechtlicher Erwachsener für Anliegen aller Art zur Verfügung steht, müssen ihre Kolleginnen genau darauf verzichten. Das erleben viele – wie man weiter unten nachlesen kann – zumindest zeitweise auch ganz konkret als Belastung.
An diesem Punkt beginnt sich die Katze in den Schwanz zu beißen. Je ungünstiger die strukturellen Bedingungen für den weiblichen Nachwuchs sind, desto weniger Mädchen betreiben das Segeln als Leistungssport. Damit stellen die Burschen in den Gruppen die Mehrheit, was einen speziellen Umgangston, ein typisches Klima und einseitiges Gefüge zur Folge hat. Das wiederum schreckt manche Mädchen ab; Spirale nach unten also. „Die Mädchen bekommen nicht, was sie brauchen“, fasst Gundi Kitzmüller ihre Beobachtungen zusammen, „sie müssen einfach in dem bestehenden System mitspielen, ihre Bedürfnisse, etwa Alternativen in der sozialen Einbindung oder Kommunikationsdiversität, werden kaum berücksichtigt.“