Abenteuer im Kopf
Der Sportpsychologe Dr. Björn Krenn bereitet das OeSV-Nationalteam auf die Olympischen Spiele in Japan vor. Dabei werden alle Register gezogen – vom Training der kognitiven Flexibilität bis zu Virtual Reality
Wer einen Psychologen konsultiert, hat üblicherweise ein Problem. Mit der Beziehung, dem Selbstwert, der Gesundheit, dem Leben an sich. Es gibt einen gewissen Leidensdruck, aber auch die Hoffnung, sich mit Hilfe von Beratung, Coaching oder Therapie aus dem aktuellen Tief arbeiten und in die „Normalität“ zurückkehren zu können.
Laien übertragen dieses Konzept auf Athleten und glauben, dass der Sportpsychologe vor allem in Krisenzeiten seinen großen Auftritt hat – wenn schlechte Resultate Verunsicherung generieren zum Beispiel oder das Beziehungsgefüge einer Mannschaft durcheinandergerät.
Tatsächlich nimmt die Psychologie im Spitzensport eine ganz andere Stellung ein. „Es geht primär um Leistungsoptimierung“, hält Dr. Björn Krenn fest, „und die damit zusammenhängenden Maßnahmen und Methoden sollten durchgängig in den Alltag integriert sein.“ Der 34-jährige Oberösterreicher ist seit etwa zehn Jahren am Institut für Sportwissenschaften in Wien tätig, hat das Nationalteam des OeSV bereits bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 sportpsychologisch betreut und ist gemeinsam mit seiner Kollegin Krisztina Boná eng in die Vorbereitung für Tokio eingebunden. Krenn hat für Verbände unterschiedlichster Disziplinen gearbeitet, von Kanu bis Volleyball, der Segelsport nimmt für ihn aber eine Sonderstellung ein: „Wer hier erfolgreich sein will, muss eine Vielzahl an psychologischen Kompetenzen aufweisen können, das Anforderungsprofil ist außergewöhnlich breit gestreut.“
Über links oder rechts?
Eine zentrale Rolle spielt die Fähigkeit, rasch die richtigen Entscheidungen treffen zu können – und zwar über einen langen Zeitraum hinweg. „Unsere Seglerinnen und Segler verfügen über objektive Informationen zu Wind und Strömung, die sie vorab von der Meteorologin oder dem Trainer bekommen haben, gleichzeitig nehmen sie über ihre Sinnesorgane die aktuelle Situation am Wasser wahr“, beschreibt Krenn eine typische Regattasituation. Und: „Die subjektiven Erfahrungen und Beobachtungen speisen die so genannte Intuition und diese muss in eine gute Balance zur objektiven Datenlage gebracht werden. Wie ein Sportler diese Faktoren gewichtet, ist ein sehr spannender Prozess.“ So wisse man aus der Forschung, dass Athleten, die stark unter Druck stehen, eher die Intuition vernachlässigen und sich verstärkt an von außen gelieferte Fakten klammern würden – ein Verhalten, so Krenn, das dem Erfolg selten zuträglich sei. In Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg wurde daher speziell für den Segelsport ein softwaregestütztes Tool entwickelt, mit dem sich die Gewichtung einzelner Informationskomponenten üben und das Arbeitsgedächtnis schulen lässt. Es ist seit 2015 im Einsatz, wird laufend verbessert und lässt sich gezielt an die Bedürfnisse des einzelnen Athleten anpassen.
Immer auf Draht
Auch die so genannte kognitive Flexibilität trainieren die OeSV-Segler mit Hilfe einer eigens für sie erdachten Methode. Psychologen verstehen darunter die Fähigkeit, sich an neue, verändernde oder unerwartete Umstände anzupassen und entsprechend darauf zu reagieren. Menschen mit stark ausgeprägter kognitiver Flexibilität können ihren Fokus rasch verlagern, Störreize ausblenden und unterschiedliche Blickwinkel einnehmen, zudem Fehler und Veränderungen besser tolerieren – unschwer vorzustellen, dass genau das im Laufe einer Wettfahrt immer wieder gefragt ist.