Zurück zum Ursprung
Der Archipelago de los Canarreos vor der Südküste Kubas ist ein weitgehend unerschlossenes, naturbelassenes Segelrevier. Lässige Lokale und Läden sucht man vergebens, dafür kann der Chartergast auf exklusive Entdeckungsreise gehen
Die Autobahn, die von Havanna nach Cienfuegos führt, ist schnurgerade und wenig befahren. Nach zwei Tagen Sightseeing in der quirligen Hauptstadt, die jedes Klischee erfüllt, wechseln wir an die Südküste, wo wir unseren Törn starten wollen; der Transfer dauert etwa drei Stunden. Neugierig drücken wir unsere Nasen an den Scheiben des Minibus’ platt. Links und rechts erstrecken sich Zuckerrohr- und Tabakfelder, zwischen modernen Autos, klapprigen LKWs und ramponierten US-Oldtimern holpern Ochsengespanne und Pferdefuhrwerke, sogar Radfahrer dürfen die vierspurige Straße offenbar nutzen. An der Ausfahrt nach Cienfuegos bestaunen wir die Konterfeis von Fidel Castro, Raoul Castro und Miguel Diaz-Canel, dem aktuellen Präsidenten, die auf einem riesigen Plakat Einheit und Beständigkeit verkünden, dann halten wir auch schon vor der Marina Marlin. Sie ist bewacht, besteht aber aus nicht viel mehr als einem T-Steg mit etwa 30 Liegeplätzen, einer schlichten Bar sowie einigen Containern und Hütten. In einer ist die Basis von Platten Sailing untergebracht. Das seit 2002 bestehende Charterunternehmen wird von dem Deutschen Ulrich Pfister geführt und hat zehn Katamarane zwischen 38 und 46 Fuß im Programm. Wir checken auf der Marimar ein, einer neun Jahre alten, geräumigen, aber einigermaßen abgewohnten Lagoon 421, und kümmern uns erst einmal um den Proviant. In dem Archipel, den wir erkunden wollen, gibt es kaum Infrastruktur und Einkaufsmöglichkeiten, da heißt es überlegt bunkern. Salamistangen, Schinkenspeck und Hartkäse haben wir im Hauptgepäck aus Österreich mit- und problemlos ins Land gebracht (ein guter Tipp unseres Vercharterers), die vorab bestellten Grundnahrungsmittel und Getränke liegen in einem kleinen Laden im Marinagelände bereit, Obst und Gemüse bringt man uns frisch vom Bauernmarkt. Shoppen sei in Kuba eher Abenteuer als Vergnügen, erzählt Omar, der ausgezeichnet Deutsch sprechende Basisleiter, man wisse nie im Vorhinein, wo man was kaufen könne und benötige ebenso viel Geduld wie Spürsinn. An dieser Herausforderung sei in der Vergangenheit so mancher Kunde verzweifelt, deshalb biete man nun ein Rundum-Service an, das Zeit und Nerven spare.
Gute Idee, wie wir finden. Eine weitere Serviceleistung, die wir diesmal in Anspruch nehmen, ist ein einheimischer Skipper. Wenn man wie wir nur eine Woche unterwegs sei, würde sich ein kundiger Guide, der die schönsten Plätze kenne und alle Formalitäten zügig abwickle, besonders lohnen, empfahl uns Platten-Sailing-Chef Pfister. Hatten wir bisher noch nie nötig, aber warum nicht – auch eine Form von Horizonterweiterung.
Wir lernen unseren Skipper am späten Nachmittag kennen. Santiago ist ein sportlicher Mittfünfziger, der perfekt in unsere Alterskohorte passt. Er wirkt sympathisch, erfahren und kompetent; im Laufe der kommenden Woche stellt sich heraus, dass wir mit dieser ersten Einschätzung genau richtig lagen. Santiago fragt nach unseren Wünschen und Erwartungen, zeigt uns mögliche Routen auf der Karte und legt fest, wann wir am nächsten Tag auslaufen – 5:30 Uhr. Ui, da schlucken manche schwer. Aber der frühe Termin hat gute Gründe: Erstens ist die 20 Kilometer tiefe Bucht von Cienfuegos, die nur über einen schmalen Kanal mit dem Karibischen Meer verbunden ist, morgen wegen einer militärischen Übung ab 7:00 Uhr gesperrt, zweitens haben wir mit 60 Meilen eine lange Etappe vor uns, die uns in den Archipelago de los Canarreos bringen soll. Na dann, ab in die Kojen.
Exklusives Vergnügen
Blasse Rosa- und Lilatöne färben den Himmel im Osten, als wir uns bei Sonnenaufgang durch die 300 Meer breite Einfahrt aus der geschützten Bucht schieben. An Steuerbord erhebt sich die Festung Castillo de Jagua, die den Spaniern als Schutz gegen die Piraten diente, dahinter wölbt sich eine Kuppel über einem monumentalen, selten hässlichen Bau. Ein Atomkraftwerk, erklärt Santiago, das aber nie in Betrieb ging. Kennen wir! Zwentendorf grüßt Juraguá …
Der strahlend weiße Leuchtturm Punta de los Colorados an Backbord, der den Übergang zur offenen See markiert, gefällt uns da schon besser. Eigentlich sollte der ganzjährig aus Nord- bis Südost wehende Passatwind für ideale Segelbedingungen auf unserem Kurs sorgen, doch leider regt sich kein Lüftchen und wir müssen den Motor brummen lassen. Ein Delphin begleitet uns eine Zeitlang, spielerisch bewegt er sich knapp vor unseren Bügen. Immer wieder scheint er sich umzusehen, ob wir seine kunstvollen Sprünge auch gebührend bewundern, dann biegt er ab und verschwindet im endlosen Blau.
Unser Ziel ist die Inselkette der unbewohnten Cayos de Dios, die sich tapfer gegen das Karibische Meer stemmen, jeweils von Korallenriffen umgeben sind und attraktive Schnorchelspots abgeben. Auf dem langen Weg dorthin begegnen wir keinem einzigen anderen Schiff. Privatyachten gibt es in Kuba nicht, die einzigen drei Charterfirmen des Landes, die allesamt in Cienfuegos ansässig sind, können insgesamt rund 35 Modelle vermieten – eng dürfte es hier nicht werden.
Tatsächlich sind wir die einzigen, die den Anker zwischen Cayo Oro und Cayo Sal fallen lassen und wenig später mit Taucherbrille und Schnorchel ins warme Wasser springen.