Zuppa di pollo alla Brindisi
Für Blauwassersegler wie die Seenomaden mag das Angeln alltäglich sein, aber …
Der Fisch stinkt vom Kopf. Oder besser: Ein Skipper, der zulässt, dass seine Crew vom Segelboot aus angelt, ist selber schuld an allen Folgekatastrophen. Dahinter steckt ein absurdes Phänomen: Menschen auf Yachten fühlen sich aus heiterem Himmel zu Tätigkeiten berufen, von denen sie keine Ahnung haben. Bei meinem ersten Törn als Skipper hielt sich ein stinknormaler Buchhalter ohne Vorbildung für einen legendären Haifisch-Angler, kaufte in Brindisi ein totes Huhn, befestigte es mit einer Nylonschnur am Heckkorb und schleuderte es über Bord.
Nach zwei ereignislosen Stunden hatte der Petrijünger seine Erleuchtung schon wieder verdrängt. Wir erlebten eine wunderbare Segelwoche. Bis zum letzten Anlegemanöver, bei dem der Propeller die vergessene Nylonschnur aufwickelte und den völlig ausgelaugten Haifischköder zerschnetzelte. Das Hafenbecken verwandelte sich in eine Hühnersuppe: Zuppa di pollo alla Brindisi. Während ich mit einer Nagelschere die Fäden von der Antriebswelle zupfte, geriet ein Stück Huhn (ich tippe auf die Milz) in meinen Schnorchel. Das war der Moment, in dem ich einen Entschluss fasste: Bin ich Skipper, wird nicht geangelt.
Seither amüsiere ich mich gelegentlich über Angel-Storys, die mir nicht mehr passieren können: Einer hatte einen ebenfalls spät berufenen, aber nicht minder untalentierten Fliegenfischer an Bord. Er warf mit einer skurrilen Körperverrenkung, die an einen dilettantischen Tennis-Aufschlag erinnerte, die Leine aus, diese kam jedoch nie im Wasser an, weil sie sich um den Radar-Reflektor gewickelt hatte.
Auch der Versuch, mit der Taschenlampe Tintenfische anzulocken, um sie dann mit einem Einkaufsnetz zu fangen, brachte ein monumentales Ergebnis: Der selbsternannte Experte verlor das Gleichgewicht, plumpste in voller Montur samt Handy in die Ankerbucht, die Lampe leuchtete noch eine gute Viertelstunde lang höhnisch laut Echolot aus 11,4 m Tiefe, das Netz tauchte erst am nächsten Tag auf, nachdem es der Skipper fluchend aus der Schraube geschnitten hatte.
Ein weiterer Experte nahm einen Tupperware-Kübel voll so genannter Boilies mit auf Törn. Ein besonders geschmackloser Kollege fraß die Hälfte der Teigkugeln auf, weil er sie für Kekse hielt. Dabei handelte es sich um selbstgefertigte Fischköder. Der Angelexperte versuchte nach einem Tobsuchtsanfall mit den restlichen Boilies sein Glück. Tagelang und vergeblich. Bis ihm am letzten Tag ein echter Fischer verriet, dass Boilies ausschließlich als Karpfenköder taugen würden. Und der gemeine Karpfen dem salzigen Mittelmeer die süßeren Binnengewässer vorziehe.
Da lobe ich mir meinen Experten Sharky. Der trägt seinen Spitznamen, weil er beim Rückenschwimmen der monströsen Nase wegen gelegentlich Haifischalarm auslöst. An Bord müsste er hingegen Captain Hook heißen. Denn er ist Pirat mit Leib und Seele. Früher hat er ab und zu ein Auge auf den Trimm geworfen. Heute ist er ausschließlich auf Ausguck. Wird er fündig, brüllt er: „Fische‘ mit f’ischen Fischen steue’bo’d vo’aus!“ in Anlehnung an den Ausgucker des Piratenschiffs in Asterix-Heften. Der kann kein „r“ sagen und ruft „’öme’!“, wenn er Römer sichtet.
Das Procedere: Kurs ändern – auf das Fischerboot zuhalten – Fender raus – Leine über – Sharky steht mit einem Kübel bereit und beschlagnahmt die Ware der Fischer. Egal, ob es sich um Griechen, Türken oder gar Sizilianer handelt. Der furchtlose Sharky prüft Fische, Kalmare oder Krebse mit seinem gewaltigen Riechkolben. Natürlich bezahlt ein anderer inzwischen heimlich. Und zwar einen Betrag, der weit über den Spitzenpreisen des örtlichen Fischmarktes liegt. Doch Zahnbrasse, Drachenkopf und Red Snapper schmecken noch viel besser, wenn sich der geniale Küchenchef Sharky noch beim Kochen für einen gefürchteten Piraten hält.