Da müsste Musik sein
Vendée Globe: Die Erstplatzierten mögen den Ruhm einstreifen, Respekt und Ehre gebühren jedem Teilnehmer
40 Tage nachdem Armel Le Cléac’h als Sieger die Ziellinie vor Les Sables d’Olonne gekreuzt hatte, befanden sich zwei Männer nach wie vor im Rennen. Beide hatten Probleme, obwohl ihre Lage unterschiedlicher nicht hätte sein können. Der 65-jährige Holländer Pieter Heerema, der zwar auf einer Yacht der neuesten Generation segelte, deren Foils er aber mangels Erfahrung nie genutzt hatte, geriet in der Biskaya in den schlimmsten Sturm dieses Winters und wurde zum Spielball der Naturgewalten. Sein an letzter Stelle liegende Kollege Sébastien Destremau hingegen dümpelte weit abgeschlagen in lähmender Flaute und kam kaum vorwärts. Es sollte weitere zehn Tage dauern, bis auch er Les Sables d’Olonne erreichte und die Vendée Globe 2016/17 damit offiziell beendet war. 124 Tage war Destremau unterwegs gewesen, deutlich länger als er vorab angenommen hatte. Weil außerdem ein Teil seiner Vorräte nass und damit unbrauchbar geworden war, musste der Franzose in den letzten zwei Wochen lang mit einem einzigen Beutel gefriergetrockneter Nahrung pro Tag das Auslangen finden. Der Sportjournalist, der in jüngeren Jahren mehrere Male an Olympischen Spielen und am America’s Cup teilgenommen hatte, aber über so gut wie keine Solo-Erfahrung verfügte, litt aber nicht nur an Hunger. Ihm machte vor allem die Einsamkeit auf See zu schaffen. „Zwischen Kap der Guten Hoffnung und Kap Hoorn habe ich jeden Tag geweint“, gestand der abgemagerte, von den Strapazen gezeichnete 52-Jährige im ersten Interview nach dem Zieldurchgang, „aber die Vendée ist mehr als eine Regatta. Sie ist ein Abenteuer und vor allem eine Reise zu dir selbst.“
Kunst der Improvisation
Während sich die Stars auf solide Finanzen und professionelle Unterstützung durch ein funktionierendes Team verlassen konnten, kämpfte Destremau auf seiner uralten Festkiel-Yacht allein an vielen Fronten und gehörte damit zur Gruppe jener Underdogs, die mit unterlegenem Material und ohne Aussicht auf einen Spitzenplatz angetreten waren. Umso bemerkenswerter ist deren Durchhaltevermögen – sowie die Beharrlichkeit und Kreativität, die sie bei der Lösung mannigfaltiger Probleme bewiesen.