Ausweichmanöver
Wer in der Hochsaison durch die dalmatinische Inselwelt segelt, findet Häfen und Buchten meist überfüllt vor. Doch mit geschickter Planung lassen sich auch ruhige Plätze in die Route einbauen
Für mich gibt es zwei Kategorien von Aktivitäten auf See: Regatta-Segeln und Familien-Segeln. Nachdem zu meiner Familie vier schulpflichtige Kinder zählen, finden unsere Törns seit geraumer Zeit in den Sommerferien statt. Hauptsaison also. Man gewöhnt sich daran. Und wird findig im Austüfteln einer Route, die abseits der üblichen Trampelpfade führt.
Diesmal sind wir zu elft – vier Erwachsene, sieben Kids – in Dalmatien unterwegs. Ausgangshafen ist Trogir, wir schreiben Anfang August. Massen drängen sich durch die engen Gassen des hübschen Städtchens. In meinem Lieblingslokal Kamerlengo ist ohne Reservierung nichts zu machen, aber wie durch ein Wunder ergattert unsere Gruppe in einem anderen Restaurant unangemeldet einen freien Tisch. Auch in der 2014 eröffneten ACI-Marina, in der wir unsere Bavaria 51 übernommen haben, herrschte ausgesprochen reges Treiben. Mir graut vor überfüllten Buchten und dem beinharten Kampf um den letzten Liegeplatz im Hafen, deshalb schmieden wir bei eiskaltem Karlovacka einen kühnen Plan: Wir werden die typischen Highlights der Region, wie Korcula oder Hvar, links liegen lassen und stattdessen die Rückseiten der beliebten Inseln anlaufen. Prost!
Um die Mittagszeit geht es bei bestem Wetter und leichter Brise los. Nach einem kurzen Badestopp richten wir den Bug Richtung Hvar und erreichen gegen 16 Uhr die Westspitze der Insel. Der Stadthafen von Hvar und die gegenüber liegende Marina Palmizana sind garantiert gesteckt voll, der Schiffsverkehr bisher war beachtlich. Doch entlang der Nordküste wird es deutlich ruhiger. Wir bewundern die Eremitage Blaca, die gut sichtbar auf den Felsen der Insel Brac thront, lassen Starigrad an Steuerbord liegen und suchen uns ein Plätzchen in der relativ großen, verzweigten Bucht Zukova. Wunderbar ist es hier, wir sind faktisch die einzigen, nur eine Motoryacht liegt etwas weiter draußen vor Anker. Entspannt geht also auch im August … Der nächste Tag begrüßt uns mit strahlender Sonne und Windstille. Wir verholen uns am frühen Vormittag auf die andere Seite der nach wie vor einsamen Bucht und nutzen die Felsen zum Klippenspringen. Kinder und Väter sind begeistert; lauter Helden in dieser Crew.
Weiter geht es Richtung Osten. Die Ortschaft Vrboska, die sich tief in eine von Tannen gesäumte Bucht schmiegt, sieht einladend aus, hier könnten wir Vorräte kaufen. Aber noch sind alle Schapps gut gefüllt, also machen wir nicht Halt; beim nächsten Mal vielleicht. Zu Mittag ankern wir in der kleinen Bucht vor Pokrvenik, wieder ist nichts vom August-Trubel zu spüren. Der Flecken könnte kroatischer nicht sein: Blitzblaues Wasser, eingefasst von schroffen Felswänden, idyllisch gelegener Kiesstrand, an dem sich nur einige wenige Badende tummeln.
Wetterkapriolen
Unser Tagesziel heißt Sucuraj, ein Fischerdorf am östlichen Zipfel von Hvar mit gerade mal 400 Einwohnern. Wir laufen gegen 18 Uhr ein und machen an der Innenseite des Wellenbrechers fest. Auch an den Schwimmstegen im Hafen wäre noch Platz, doch dort ist es zu seicht für unsere 51er. Auf gut Glück fallen wir in der Konoba Fortica ein, wo wir ausgezeichnet, reichlich und ausgesprochen günstig essen. Gerade mal 700 Kuna, also nicht einmal 100 Euro will der freundliche Wirt von unserer elfköpfigen Schar – entweder er hat sich kolossal verrechnet oder es geschehen noch Wunder.
Weniger wunderbar verläuft die Nacht. Neben uns hat eine Fähre festgemacht und lässt bis zum Morgen ihren Generator brummen. Wer einen tiefen Schlaf hat (= Männer und Kinder), lässt sich davon nicht stören, die Frauen schauen am nächsten Tag ein wenig zerknittert aus der Wäsche. Was sie beim Blick aus dem Salon sehen, trägt zur Besserung der Laune nicht bei: Dunkle Wolken drängen sich am Himmel, es nieselt und der drei Meter hohe, in Bronze gegossene heilige Nikolaus, der am Hafen steht, zeigt mit seinem Arm genau in Richtung eines aufziehenden Unwetters.