Boss an Bord; Teil 1

Top Secret. Was tun, wenn sich ein Superstar auf dein Schiff verirrt? Keine Angst: Es findet sich immer einer, der die Situation im Griff hat

Boss an Bord; Teil 1

Ein Freund meines Freundes Gregor ist ein begnadeter Gitarrist. Er heißt Mike, ist Profi, lebt in Philadelphia und gilt in der Rock-Szene als „super sub“ – als begehrter Ersatzspieler. Soll heißen, er kann in jeder auch noch so berühmten Band einspringen, sollte ein Musiker plötzlich unpässlich sein.

Auf dem Schiff heißt er nicht Mike, sondern Michi – wie früher am Wiener Praterstern, wo er aufgewachsen ist.
Im Jahr 2009 sagte er für einen Herrentörn zu, Ausgangshafen Barcelona. Perfekt für Michi, der in Spanien für einen erkrankten Bassisten einspringen musste. Kurz vor Törnbeginn führte er folgendes Telefonat mit Skipper Gregor:

Michi: Darf ich jemanden mitnehmen?
Gregor: Eine Frau?
Michi: Naaa, du Idiot! Ich kenn‘ die Regeln.
Gregor: Wen dann?
Michi: Einen Musiker. Sehr nett! Passt gut zu uns.
Gregor: Okay, ich vertrau‘ dir. Schick‘ mir seine Daten.
Michi: Muss das sein?
Gregor: Natürlich muss das sein!
Michi: Es darf aber keiner wissen, dass er mitfährt. Weißt eh, Presse, Management ...
Gregor: Wen zum Teufel schleppst du daher? Bruce Springsteen?
Michi, verstört: Äh… Woher weißt du das?
Gregor: Geh bitte! Verarsch‘ wen andern!

24 Stunden später bekommt Gregor ein Mail mit den Daten eines Frederick Joseph, geboren 1949 in Long Branch, New Jersey. Gregor ist beruhigt.

Flug Wien–Barcelona. Taxi zum Supermarkt. Einkaufen für eine Woche. Weiter zum Charter-Stützpunkt in die Olympia-Marina. Um 14 Uhr ist die Città Natale, eine 46er, klar zum Auslaufen. Michi und Frederick sollen nach ihrem Flug aus Santiago de Compostella um 15 Uhr zu uns stoßen.
Um 19 Uhr springt Michi am Pier aus einer Limo mit dunklen Scheiben: „Sorry, wir haben noch Ölzeug und so einkaufen müssen“, entschuldigt er sich für die Verspätung. Hinter ihm klettert ein Mann mit Kopftuch, Dreitagesbart, Sonnenbrille und einem T-Shirt mit Billigsdorfer-Werbeaufdruck aus dem Auto.

„Des is ja … des is ja … bist du deppat … des is ja …“, stammelt Paul fassungslos.

Klemens ergänzt konkreter: „I scheiß mi an!“ Gregor glaubt nach wie vor an eine riesengroße Verarschung, während Erwin wie ferngesteuert das Gepäck aufs Schiff bringt.

Nur für Pepi ist Berührungsangst ein Fremdwort. Er geht schnurstracks auf den Amerikaner zu: „Servas Bruce! Servas means Hi in Austria. I am Pepi, but you can call me Joe, wenn da Pepi zu kompliziert ist!“

Der Ami grinst, schiebt die Brille zur Nasenspitze und sagt: „Surf us, Pepi!“

Während sich die anderen vom Schock erholen, dreht Pepi auf: „Du Bruce, our boss on board is the Gregor, auch wenn’s zu dir The Boss sagen, you know?“

Oder: „Hearst Bruce: Pass auf with your Schädl in the Niedergang!“

Michi, immer wieder von Lachkrämpfen gebeutelt, übersetzt Pepis Anleitungen. Und berichtet, dass er nach dem ersten Spanien-Konzert bei einem Bier vom geplanten Herrentörn erzählt habe. Springsteen soll Michi spontan gefragt haben, ob er mitfahren dürfe. Und zwar mit dem Nachsatz: „I’m so sick of this crap!“ [„Diese Kacke macht mich so krank!“] Gemeint habe er einen Streit mit dem Management wegen der Studio-Aufnahmen.
Frederick Joseph sind Springsteens mittlere Vornamen. Die anderen Daten auf der Crewliste seien korrekt gewesen.

Gregor schwärmt noch heute von der Umgänglichkeit und der guten Seemannschaft des Weltstars. Er erzählt vom Tunfischsalat, den Bruce zubereitet haben soll, von einer Gitarren-Session mit einer dänischen Crew in einer einsamen Bucht. Und von Pepis unübertroffenen Sprachgebilden. Zum Beispiel bei einem Starkwind-Ritt: „Be careful, Bruce. This wave is real Rock ’n’ Roll! Dagegen is Born in the USA a children birthday!“

Ich habe Gregor kein einziges Wort geglaubt. Bis ich sechs Jahre später in einer Taverne in Grado einem seltsamen Vogel begegnete.
Was es damit auf sich hat, erfahren Sie in der Fortsetzungskolumne in der Mai-Ausgabe.

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