Reizvolle Zwischentöne
Wer von Sizilien aus westwärts segelt, trifft auf die naturbelassenen, bei Seglern kaum bekannten Ägadischen Inseln, die eine spannende Mischung aus europäischen und nordafrikanischen Elementen zu bieten haben
Die Ägadischen Inseln liegen nur wenige Seemeilen vor der Küste Siziliens. Im Gegensatz zu den Äolischen (auch Liparischen) Inseln im Norden sind sie nicht vulkanischen Ursprungs, sondern waren einst mit der Landmasse Siziliens verbunden. Rauer Fels und unzähligen Grotten prägen die Küstenlinie, die helle Farbe des Gesteins sorgt in den flachen Buchten für eine herrliche Türkisfärbung des Wassers, pittoreske Fischerdörfer bieten wunderbare Fotomotive. Umso erstaunlicher, dass dieser Archipel bei Yachties kaum bekannt ist. Die Sizilianer haben ihn hingegen längst als Ausflugsziel entdeckt. Sie kommen tagsüber in Scharen mit kleinen Motorbooten aus Trapani und Marsala, doch an den Abenden wird es wieder ruhig.
Der Mattanza (Tunfischfang) hat seit Jahrhunderten das Leben der Insulaner bestimmt. Auch wenn die großen Schwärme heutzutage ausbleiben und die Fabriken verfallen sind oder zu Museen umgebaut wurden, ist Tunfisch allgegenwärtig, sei es in Spezialitätengeschäften oder auf den Speisekarten der Restaurants. Heute sind die Inseln von einem 53.000 Hektar großen Meeresschutzgebiet umgeben, dem größten im Mittelmeer. Auf der Webseite www.ampisoleegadi.it kann man sich mit den Regeln in den verschiedenen Zonen vertraut machen und prüfen, wo geankert werden darf und wo Bojenfelder eingerichtet sind.
Ausgangspunkt für unseren Segeltörn ist die Metropole Palermo, genauer gesagt der Yachthafen La Cala, vom Zentrum nur wenige Minuten zu Fuß entfernt. Unser erster Schlag führt uns über 39 Seemeilen nach San Vito Lo Capo am Nordwestzipfel Siziliens. Der Ankerplatz vor dem weitläufigen Strand und dem markanten Monte Monaco gehört wohl zu den schönsten der Insel, nahe des Hafens profitiert man vom Schutz des Wellenbrechers. Rund um das Kastell bietet der beliebte Ferienort eine reiche Auswahl an Einkehrmöglichkeiten und durch die Gassen weht ein Hauch von Nordafrika. Die in dieser Region typischen, nicht sonderlich italienisch anmutenden Couscous-Speisen sowie die süßen Cannoli haben ihren Ursprung in der arabischen Herrschaft und sind fester Bestandteil der sizilianischen Küche.
Vorsichtige Kontaktaufnahme
Levanzo stellt unseren ersten Anlaufplatz im Archipel dar. Sie ist die kleinste Ägadische Insel, nur hundert Menschen leben dauerhaft hier. Wer Ruhe und Frieden sucht, ist auf Levanzo genau richtig. In die Hänge der türkis leuchtenden Cala Dogana schmiegt sich der einzige Ort, ein Fischerdorf wie aus dem Bilderbuch. Weiße Häuschen mit blauen Fensterläden, Boote, die träge im winzigen Hafen schaukeln. Es gibt eine Bäckerei, einen Lebensmittelladen und zwei Restaurants; mehr braucht es nicht in dieser beschaulichen Idylle. Rund um die Insel sind orangefarbene Bojen ausgelegt, doch wir ankern lieber direkt vor dem Dorf und erkunden die Umgebung. Spaziert man Richtung Westen, gibt es eine auffällige, nadelförmige Felsformation, Faraglione genannt, zu bestaunen. Fast am anderen Ende der Insel liegt die Grotta del Genovese, eine der bedeutendsten prähistorischen Ausgrabungsstätten in ganz Italien, in der wir Felsritzungen und Malereien, die weit über zehntausend Jahre alt sind, betrachten können.
18 Seemeilen entfernt wartet mit Marettimo die westlichste und wildeste Insel des Archipels. Wie ein Miniatur-Bergmassiv ragt sie mit imposanten Steilküsten aus dem tiefblauen Meer, immer wieder finden sich Grotten, die sich mit dem Dingi befahren lassen. An der flachsten Stelle liegt die einzige Ortschaft, sie ist beschaulich, aber doch lebendig. Südlich des Hafens, in dem es einen Schwimmsteg für Yachten und eine Bootstankstelle gibt, kann man gut ankern. Im Nordosten liegt mit der Cala Manione der wohl attraktivste Ankerplatz der Insel: Hier ankert man neben einer Steilwand im kristallklaren Meer, dessen Schattierungen von dunklem Blau bis zu hellem Türkis reichen. An der Nordseite der Bucht thront auf der Punta Troia ein normannisches Kastell, von dem aus sich ein atemberaubender Blick auf die Küste eröffnet. In die andere Richtung führt ein Weg in schwindelerregender Höhe die Bergflanke empor und zurück zum Ort. Wer keine Lust auf eine Wanderung hat, fährt mit dem Beiboot zur Südseite der Bucht und besucht die Grotta del Cammello, benannt nach der Felsformation vor dem Eingang, die einem Kamel ähneln soll. Fällt die hochstehende Sonne durch ein Loch in der Höhlendecke, erstrahlt die Grotte in den herrlichsten Blautönen. Früher war sie ein Zufluchtsort für die seltene Mönchsrobbe und neuerdings mehren sich die Anzeichen, dass einzelne Tiere in der Wintersaison hierher zurückkehren.