Reise durch Vulkanien
Die Liparischen Inseln liegen vor der Nordküste Siziliens. Sieben Stück sind es an der Zahl, mythologisch aufgeladen, landschaftlich beeindruckend und am besten per Schiff zu entdecken
Historische Vorbemerkung: Als hätten sie daheim nicht genügend Inseln gehabt, besiedelten die alten Griechen auch noch Sizilien. Das war vor knapp dreitausend Jahren. Sie brachten Kultur, Kunstfertigkeit und Götter mit und machten die dort lebenden Menschen damit vertraut. Als ihnen die Römer im 3. Jahrhundert der alten Zeit die Insel abnahmen, verlor die griechische Kultur an Bedeutung. Die meisten Götter jedoch blieben, weil sich die Römer zuvor schon eine Himmelsbevölkerung zugelegt hatten, die der griechischen sehr ähnlich war.
Der griechische Gott Aiolos führte also unter leichter Veränderung seiner Anrede – römisch nun Äolus – auf Sizilien seine Geschäfte fort, nämlich die Winde zu beherrschen. Um dessen fortdauernden Ruhm machte sich Homer verdienstvoll, indem er die umfangreiche Schiffsreise des Odysseus besang und dabei auch über den Aufenthalt in sizilischen Gewässern berichtete. Odysseus besuchte Aiolos auf der schwimmenden Insel Aiolia (nicht namensgebend für die Knoblauchsauce Aioli, die bekanntlich in Frankreich erfunden wurde).
Den altgriechischen Sitten entsprechend, schmauste und zechte man einen Monat lang, bevor an die Abreise auch nur zu denken war. Diese erschien Odysseus allerdings erforderlich und dringend, weil er sich schon zu weit im Westen wähnte und in der Heimat ein paar Familienangelegenheiten zu regeln hatte; mit Schwert, Faust und Speer, wie damals üblich.
Aiolos, großzügiger Gastgeber offenbar, versah Odysseus mit einem nützlichen Abschiedsgeschenk: Einem aus der Haut eines Stiers geschneiderten Schlauch, in dem Winde gefangen waren. Je nach Bedarf und ganz sanft wollte Odysseus den günstigen West herauslassen und davon angetrieben hurtig die Heimat erreichen. Irgendwann musste der große Krieger und Seefahrer aber die Bedienung des Sacks aus der Hand geben und ein wenig ruhen. Diese Gelegenheit nutzte seine neugierige Crew, um ihn zu öffnen. Was sich als Fehler herausstellte: Die Winde „entsausten“ fürchterlich und warfen Odysseus in die Gewässer Siziliens zurück. Also wurde er erneut bei Aiolos vorstellig. Der hörte sich die Geschichte an, war über die unsachgemäße Behandlung seiner Winde erzürnt und verjagte Odysseus und seine unseligen Gefährten aus seinem Revier, das man heute unter dem Namen Äolische Inseln kennt. So also kam der Archipel vor der Nordostküste Siziliens zu seinem historischen Namen. Geographisch korrekt wird er heute Liparische Inseln genannt.
Die schwimmende Insel Aiolia lässt sich heute nicht mehr finden. Man hat es bei den Liparischen Inseln ausnahmslos mit grundfesten, relativ jungen Vulkanen zu tun, die sich noch nicht alle zur Ruhe begeben haben. Über den Gipfeln auf Vulcano und Stromboli steigen weiße Wölkchen auf, die nicht aus eingefangener Luftfeuchtigkeit bestehen, sondern aus der Tiefe kommen.
Dass es sich auch bei den anderen Eilanden um Vulkane handelt, lässt sich unschwer an ihrer Form erkennen. Salina steigt als ebenmäßig geformter Doppelkegel aus dem Meer, Filicudi als Kegel mit langer Schleppe, an deren Ende ein zweiter, kleinerer Kegel steht, Alacudi wirkt gar wie ein von Kinderhand gezeichneter Vulkan mit nahezu kreisförmiger Basis und gleichmäßigen Flanken, die in einer abgeflachten Spitze münden. Lediglich Lipari, die größte Insel des Archipels, ist nicht schon von Weitem als Vulkan zu erkennen, weil die Kegel in eine dramatisch zerklüftete Berglandschaft eingebunden sind.
Nautische Notizen
2017 wurde in Capo d’Orlando eine Marina mit mehr als 500 Liegeplätzen eröffnet. Der Schlag von dort zur südlichsten der Liparischen Inseln, Vulcano, misst weniger als zwanzig Meilen. Damit ist Capo d’Orlando ein erstklassiger Ausgangspunkt, um den Archipel zu erkunden. Die Distanzen zwischen den Inseln sind ebenfalls kurz, sodass ein Besuch sämtlicher Inseln in einer Woche gut machbar ist.
Die Schiffsreise mit Ausblick auf Vulkankegel und bizarre Felsbrocken ist also ein komfortables Vergnügen. Die Pausen dazwischen und das Übernachten wollen allerdings geplant sein. Wie es Vulkane an sich haben, sind auch die der Liparischen Inseln steil aufragend. An den Küsten geht es also flott in die Tiefe. Und weil die Inseln recht jungen Entstehungsdatums sind – weniger als 100.000 Jahre bei Alicudi, kaum mehr als eine Million bei Filicudi, geologisch betrachtet also alles ganz neu – haben Erosion und Wellenschlag erst wenige Buchten ausgeformt. Ankerplätze sind daher rar. Ist man in der Hauptreisezeit oder gar zu Ferragosto unterwegs, ankert man in trauter Nachbarschaft zu vielen anderen Yachten. Verhält sich der Wind freundlich, erscheint das höchstens lästig, wenn es bläst, kann man hingegen leicht Probleme kriegen.
Marinas im klassischen Sinn – mit Wellenbrecher, Schwimmstegen und nützlichen Vorrichtungen zum Belegen der Leinen – gibt es in dem Fahrtgebiet nur zwei Stück. Die größere heißt Marina di Porto Pignataro und liegt im Norden der Bucht vor dem Ort Lipari. Einigermaßen abschreckend ist neben der Preisgestaltung die Distanz bis zum Zentrum der Stadt. Die Fußwanderung beansprucht eine halbe Stunde und ist unter der Sonne Siziliens ein eher erschöpfendes Unterfangen.
Wer die sehenswerte Stadt besichtigen oder ihre Infrastruktur nutzen will, wird lieber näher dran bleiben. Das ermöglichen einige Anbieter von Liegeplätzen an Schwimmstegen und der bescheidene Ankergrund davor.