Charme der Nostalgie
Opatija war einst ein legendärer Kurort und Hotspot der österreichischen Riviera. Wer sich der Metropole unter Segel nähert, atmet einzigartige Geschichte
Drei Mal entdeckten die Österreicher das Meer, drei Mal ergriffen sie davon Besitz. Zuletzt vor etwa vierzig Jahren, als der Wohlstand so groß geworden war, dass sich auch durchschnittlich begüterte Bürger den Yachtsport leisten konnten. Ein weltoffenes, jedenfalls für die Partizipation am kapitalistischen Wirtschaftsaufschwung offenes Jugoslawien stellte die Infrastruktur dafür bereit. Das hatte unerwartete Nebenwirkungen: In den Buchten der oberen Adria wurde das Österreichische in seinen verschiedenen Klangfarben zur vorherrschenden Sprache.
Zwanzig Jahre davor – kaum, dass das Wirtschaftswunder zarte Knospen getrieben hatte – eroberten landgestützte Touristen aus Österreich die Adria. Das brachte auch etwas Gutes, zum Beispiel Pasta asciutta auf die heimischen Speisenkarten.
Die allererste Liebe zur großen, strahlend blauen Weite entflammte in den Herzen der Österreicher aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als eine illustre Gesellschaft über die neue Südbahn ans Meer fand. 1857 reichten die Geleise bis Triest, ab 1884 konnte man bis Fiume (Rijeka) fahren. Den Küstenbogen zwischen Grado und Abbazia nannte man die Österreichische Riviera, auch wenn sie anfangs mit der Pracht der französischen nicht konkurrieren konnte. Das sollte aber kommen.
Diese erste Bewegung der Sonne entgegen unterschied sich von den späteren Eroberungszügen beträchtlich. In den Sechzigerjahren in Caorle und Jesolo, in den Achtzigern vom Limski Kanal zu den Kornaten, diente das Reisen bereits der Erholung und dem Vergnügen. Im 19. Jahrhundert stand es hingegen im Dienst von Repräsentation und Wellness einer Elite. Es war auch Selbstzweck und lieferte den Stoff für geistige Erbauung und ungewöhnliche, weil körperliche Selbsterfahrung.
Wer heute die Küsten der Kvarner Bucht, des nördlicheren Istrien und des Golfs von Triest mit einem wachen Sinn für die Spuren der Geschichte bereist, kann sich einen Eindruck vom Flair jener Zeit verschaffen, in der das Reisen als Kunstform noch betrieben wurde. Man tut gut daran, dafür ein Segelschiff zu nutzen, denn dieses bietet wie kein anderes Vehikel ein würdiges Ambiente und zudem eine Geschwindigkeitsbeschränkung, die das Empfinden zarter Schwingungen aus den Tiefen einer unmotorisierten Zeit erleichtert.
Legen wir in Pula ab, dem großen Kriegshafen der Monarchie und dem günstigsten Sprungbrett in unser historisch wertvolles Revier. Von hier aus ist der südliche Teil der Österreichischen Riviera vorzüglich zu bereisen. Wer sich den Norden vornehmen will (wie in YR Dezember/2014 beschrieben), findet in Portorož und Izola passende Ausgangspunkte.
Wenn der Wind will, weht er uns von Pula in einer kurzen Fahrt auf das Inselchen Briunj. Brioni nannte man es zur Zeit seiner Entdeckung für den Tourismus, weil die Gegend der Bevölkerung nach italienisch und der Staatszugehörigkeit österreichisch war.
Sanfte Modernisierung
Die schöne Geschichte von der Urbarmachung einer dornengekrönten Schönheit, den Polo-Turnieren in einer großen Zeit und der exklusiven Nutzung Briunjs durch einen Marschall mit pornografischer Neigung soll hier nicht aufgewärmt werden, sie wurde in diesem Blatt bereits erzählt (YR Juli/2008). Nur so viel: Es ist noch alles da, was Brioni so einzigartig macht – der Zoo mit den wilden Tieren und der Olivenbaum aus der Zeit der Römer, der Golfplatz, der so ausschaut, als wäre er ungefähr so alt wie der Olivenbaum, die Hotels Neptun, Istra und Carmen, die im Stil sozialistischer Betonbaukunst kolossal das Hafenbecken säumen. Aber es tut sich etwas. Auf der Herzensinsel stilbewusster Isolationisten wird renoviert und revitalisiert. Das Bootshaus – vor wenigen Jahren noch schändlich verfallend – erstrahlt in frischem Verputz und entrostetem Eisenwerk, die Gästehäuser am Ostufer sind restauriert.
An der Taktung des Insellebens hat sich zum Glück gar nichts geändert. Das Personal des Neptun (die anderen Hotels werden seit Jahren nicht betrieben) dient dem Gast in einer angenehmen Gelassenheit und rührenden Korrektheit. Das auch bei 35 Grad im Schatten. Die Drinks sind so tadellos wie die Bar im Rang einer Designikone aus den Sixties steht.