Genuss am Fluss
Portugal. An den Ufern des Douro werden jene Trauben angebaut, aus denen Portwein gekeltert wird. Wer die Region, die zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, per Boot erkundet, erfährt umfassende Sinnesfreuden
Sightseeing mit dem Boot, das hat was. Selbstbewusst streckt sich die Stadt Porto, eine der ältesten des europäischen Kontinents, zu unserer Linken aus. Wir erkennen die Kathedrale und den markanten Glockenturm, der einst den Seefahrern als Orientierung diente, auch die Altstadt Ribeira, die unmittelbar am Wasser beginnt und terrassenförmig nach oben strebt, ist uns ein Begriff. So langsam und so nah wie möglich tuckern wir auf unserer Greenline 40 an den dicht gedrängten, schmalen Häusern mit ihren hübschen, pastellfarbenen Fronten vorbei, lesen zwischendurch ein paar Fakten in dem Kultur-Führer nach, der an Bord bereit liegt; das von der Charterfirma Feeldouro liebevoll gestaltete Roadbook wird uns in der kommenden Woche noch oft gute Dienste leisten. Beinahe zu schnell verlassen wir die Stadt, folgen zwischen roten und grünen Tonnen dem Verlauf des Flusses und stehen keine zwei Stunden später vor der Eclusa de Crestuma, unserer ersten Schleuse. Anders als in klassischen Hausboot-Revieren muss man sich am Douro für eine Durchfahrt mit einem Vorlauf von mindestens 24 Stunden anmelden. Dann bekommt man eine fixe Uhrzeit zugewiesen, an die man sich tunlichst zu halten hat. Luis, ein Mitarbeiter von Feeldouro, hat das für die gesamte Strecke vorab erledigt und einen ungefähren Zeitplan für die kommende Woche erstellt. Das Passieren selbst, so versicherte er beim gestrigen Briefing, sei ganz einfach. Danach übte er mit uns ein paar Sätze in der Landessprache. Damit sollen wir uns bei den Schleusenwärtern, die des Englischen meist nicht mächtig seien, ankündigen. Dass er sich angesichts unseres Gestammels vor Lachen fast in die Hosen machte, stimmt mich für die nun anstehende Aufgabe nicht besonders zuversichtlich … „A qui White! Somos quattr pessoas, podemos entrar?“, nuschle ich so portugiesisch wie möglich ins Funkgerät, bekomme allerdings keine Antwort. Hört man mich nicht oder versteht man mich nicht? Wie auch immer, das Tor ist offen und die Ampel zeigt auf Grün – rein mit uns in die Kammer. Leinen um einen der zweistöckigen, mitfahrenden Schwimmpoller geschlungen, schon geht es zügig nach oben. Ganz einfach, stimmt.
Balsam fürs Gemüt
Weiter geht es durch unberührte Natur. Auf beiden Seiten breiten sich Weiden, Hängebirken, Pinien und Kiefern aus, nur hin und wieder fängt sich der Blick an einem allein stehenden verwitterten Gehöft, einem Dorf, das sich in eine Biegung schmiegt, einer bizarren Felsformation. Keine Straße stört die Stille, kein anderes Boot ist zu sehen. Ober uns wölbt sich weit der Himmel, vereinzelte bauschige Schäfchenwolken lassen sein Blau noch blauer wirken. Das Leben fühlt sich gut an. Zeit für einen Schluck Portwein? Schließlich haben wir gestern bei Graham’s ordentlich eingekauft. Vasco, ein sympathischer junger Mann mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen, führte uns durch die 1890 gegründete Anlage mit beeindruckender Geschichte und erzählte allerlei Wissenswertes über die Herstellung von Portwein, aber auch über die Eigentümer Symington. Das derzeitige Familien-Oberhaupt Charles Symington ist seit 1990 Kellermeister, er gilt als einer der brillantesten Winzer seiner Generation. Von der Güte seiner Produkte zeugen diverse in Vitrinen ausgestellte Dankesschreiben. Winston Churchill, Queen Elizabeth, Barack Obama – die Mächtigen scheinen das gehaltvolle, süß-aromatische Getränk besonders zu lieben. Wir entscheiden dennoch, mit dem ersten Gläschen ein wenig zu warten. Immerhin müssen wir noch die tiefste Kammerschleuse Europas bewältigen: 35 Meter misst der Schacht von Carrapatelo, für eine Füllung braucht es 38.000 Kubikmeter Wasser und fast eine Viertelstunde Zeit. Da bleibt man besser nüchtern. „Somos quattr pessoas!“ Wieder verhallt mein Funkruf ungehört, wieder verläuft die Schleusung problemlos.
Unser Tagesziel ist Caldas de Aregos, wo wir in einer kleinen Marina mit drei Stegen festmachen. Strom ist vorhanden, kassiert wird nicht, keinen kümmert, dass wir hier sind; auch gut.