Im Auge des Betrachters
Werner Meisinger suchte in den bekannten Gewässern zwischen Sukošan, Biševo und Split erfolgreich nach Neuem, fand kulturelle Freuden, die Magie einer blauen Grotte sowie verschiedene Formen der Genusskultur
Auf ein Banana-Split nach Split
„Split ist ein Drecksloch“, hat mir ein in der Wolle gefärbter Süddalmatier gesagt, und seither sagte ich jedem, der es hören wollte: „Drecksloch“. Klar, große Stadt, großer Hafen, viel Verkehr, Drecksloch im Vergleich zu – sagen wir: der Palmizana vor 50 Jahren. Die in der Wolle Gefärbten haben leider häufig ein paar Vorurteile mit eingefärbt, man sollte ihnen nicht alles glauben. Daher: Kurs Split, auf ein Banana-Split.
Ein Bootsshuttle bringt notorisch faule Besucher meiner Art für einen Fünfziger von der ACI-Marina in die Altstadt und entlässt sie dort in das Gebrodel einer überwürzten Tourismussuppe mit tausend Gelegenheiten für die Konsumation von Mojitos, Pizzaschnitten und Zuckerwatten und Dutzenden Gelegenheiten für den Kauf von Luftballons, beinahe echtem Silberschmuck und beinahe noch echteren Fendi-Gucci-Louis-Vuitton-Taschen.
Der billige Trubel vollzieht sich auf historisch wertvollem Grund, unmittelbar vor der Südmauer des Diokletianpalasts.
Diokletian war ein geschmackssicherer Kaiser mit einem Hang zur großen Wohnfläche. Der Palast umfasst ein Areal, in dem die gesamte Altstadt von Split Platz findet. Je weiter man von der Wasserkante weg in diese Stadt eindringt, desto stimmungsvoller wird das Ambiente, selbst in der höchsten Hochsaison. Der Kommerz weicht der Kunst, die Hektik einer südlich gestimmten Harmonie, bis im Peristyl, dem Herz des Palastes, weihevolle Stille herrscht.
Auf blitzsauberen Wegen kann der Besucher heute dieses wunderbare Vermächtnis einer großen Kultur erkunden, auf der im Mittelmeer so vieles gründet. Der Unrat früherer Zeiten, im Wasser und an Land, ist Geschichte.
Es gibt auch Eissalons in Split. Banana-Split wird scheinbar nicht geboten.
Auf ein Mandat nach Biševo
Die Inselwelt der Adria unterscheidet sich von den meisten anderen Fahrtgebieten durch ihre kurzen Wege. Der 40-Meilen-Schlag – in anderen Revieren ein geringes Maß, um eine neue Küste, den nächsten Ankerplatz zu erreichen – gilt den meisten Seglern hier als große Reise. Auf vierzig Meilen oder weniger lassen sich ein halbes Dutzend Inseln, mindestens so viele tadellose Wirtshäuser und von Römern erstklassig behauene Steine besuchen. So kann man sagen, dass weit draußen ein paar Inseln liegen, die zu erreichen es Entschlusskraft braucht – den Entschluss, von den kommoden Routen abzuweichen und tatsächlich in See zu stechen. Erstaunlich wenige Segler kommen auf diese Idee – manche waren schon tausende Meilen in der Adria unterwegs, ohne in ihrem windbewegten Leben Sveti Andrija, Biševo oder Vis besucht zu haben.
Vierzig Meilen geht es von Split ausnahmsweise westwärts, in Richtung eines Ortes, der wegen seiner exponierten Lage auch als Gibraltar der Adria bezeichnet wurde. Die Seeschlacht von Lissa wurde hier geschlagen. Tegethoff verdiente sich dabei das seltsamste aller Wiener Denkmäler, und der Ruhm der italienischen Marine verfestigte sich in Folge eines haarsträubenden Debakels auf niedrigem Niveau.
Keine Landsicht voraus ist ein seltener Zustand bei Vergnügungsfahrten in der östlichen Adria. Im weiten Dunst zeigt sich kein Schatten am Horizont, erst nach und nach löst sich aus der Luft das schwebende Gebilde einer Insel: Vis. An Sonnentagen mit mildem Wind gleitet das Schiff auf der stillen See durch einen Funkenregen unzähliger Lichtreflexe. Sternenfahrt – der lautlose Schiffsmotor sollte für derartige Anwendungen dringend erfunden werden.
Wozu hier raus, kann man sich fragen. Die Lebensart der Menschen auf den äußeren Insel, die Natur und die gastronomische Folklore unterscheiden sich in nichts von dem, was im küstennahen Inselreich geboten wird.