Vorsicht, zwischen Boot und Steg ist ein Spalt!
Kann es sein, dass absurde Wünsche wie „Mast- und Schotbruch“ genauso effizient sind wie Sicherheitsdurchsagen und Warnschilder?
Zwei Skipper holen sich bei der Rennleitung ihre Startnummern ab.
Nr. 64 sagt: „Du, ich wünsch‘ dir was!“
Nr. 65 antwortet: „Danke, genau das wünsch‘ ich dir auch!“
Darauf Nr. 64 empört: „Was? No du bist a schöner Oa… Das hätt‘ ich mir von dir nicht erwartet!“ Ein Scherzerl mit wahrem Kern. Da ein Segler den anderen oft mit „Mast- und Schotbruch“ verabschiedet, sollte man diverse Wünsche in dieser Branche generell nicht überbewerten.
Ein beliebter Aberglaube: Wir versuchen die Mächte des Schicksals auszutricksen, indem wir das Gegenteil von dem sagen, was wir tatsächlich wünschen: „Hals- und Beinbruch“ nicht nur unter Bergsteigern, „Holm- und Rippenbruch“ unter Fliegern. Am entsetzlichsten: „Kopf- und Bauchschuss“ beim Militär. Manche halten diesen herzerfrischend empathischen Brauch noch heute für witzig, obwohl 1936 zum letzten Mal darüber gelacht wurde. Höchste Zeit für neue Varianten: „Suezkanal und Eisberg!“ für Kapitäne? „Hirnkrampf und Schreiblähmung!“ für Journalisten? „Rücktritt und Fußfessel“ für Politiker?
Als demütiger Sklave der Wissenschaft weiß ich, dass fromme Wünsche rein gar nichts bewirken. Wir Segler müssten erst recht mit der Zeit gehen und nach dem Vorbild USA unzählige Warnhinweise anbringen. „Das Wasser im Hafenbecken ist kein Trinkwasser!“ oder „Kontrollieren Sie den Dieselstand nicht mit einem Streichholz!“
Viele Mittelmeer-Marinas entzücken die Charter-Crews längst durch Musik aus Lautsprechern. Diese Errungenschaft müssen wir noch viel besser nutzen! „Watch your step!“ in Dauerschleife wie vor den Rollbändern auf Flughäfen, begleitet von der Aufschrift „Mind the gap!“ in Leuchtschrift neben jeder Versorgungssäule am Steg. Die Zahl der Gips- und Krücken-User würde rapide zurückgehen! In Anlehnung an die Wiener Linien müssten diese Durchsagen in regelmäßigen Abständen auch auf Deutsch kommen: „Vorsicht, zwischen Boot und Steg ist ein Spalt!“ Garantiert steigen dann weniger Menschen mit zwei Segeltaschen auf das am Steg hochgekantete Ende der Passarella, oder?
Diese Sorgfalt müsste sich auf dem Boot fortsetzen. Beginnen wir mit dem Hinweis: „Toilettenbürste für Körperhygiene ungeeignet“ – in den USA längst Standard. Erinnert mich an meinen Fahrrad-Helm, den die Aufschrift zierte: „Use on head!“ Sinnvolle Warnschilder erwähne ich jetzt nur am Rande: „Schoten nicht als Wäscheleinen verwenden!“
Gerade in Kroatien werden entscheidende Sicherheitshinweise grob vernachlässigt! Abgesehen vom aufdringlichen Pickerl, wonach sich die soeben gecharterte Yacht nicht besonders gut für die Durchfahrt unter der Zdrelac-Brücke zwischen den Inseln Pašman und Ugljan eignet. Mast: 19 Meter. Brücke: 16,5 Meter. Wie eingangs erwähnt: Es geht um Wissenschaft! Einschlägige Fotobeweise im Internetz belegen, dass dieses Pickerl entweder gefehlt hatte, oder ignoriert worden war.
Neulich musste ich ein Crewmitglied verarzten, das versucht hatte, mittels des Navigationszirkels eine Rotweinflasche über den Seekarten zu öffnen. Wäre ich Arzt, hätte ich danach die Lizenz verloren. Meine Behandlung war garantiert schmerzvoller als die Verletzung selbst. Zuletzt entfleuchte dem Kasperl auch noch ein Witzchen: „Jetzt hast eine Seekarte vom Roten Meer.“ Derart deprimierenden Überraschungen kann man weder durch Schilder noch mittels Durchsagen entgegenwirken. Wir Skipper brauchen die seerechtlich verankerte Erlaubnis, speziellen Passagieren die Hände an den Salontisch tackern zu dürfen. Basta.
Je länger ich nachdenk‘: Zu viele Sicherheitshinweise sind auch nicht das Gelbe vom Ei. Berieselung und Schilderwald würden Passagiere mit Physik- oder Turnbefreiung noch zusätzlich verwirren. Auf dem Schiff sind Querhandler genauso gefährlich wie Querdenker. Vielleicht reicht eine einzige, sehr große Tafel gleich beim Schranken am Marina-Eingang. Aufschrift: IDIOTEN VERBOTEN.