Mit Rat und Tat
Das österreichische Blauwasser-Paar Birgit Hackl und Christian Feldbauer initiierte im abgelegensten Winkel von Französisch Polynesien die Installation einer Muring, um die Korallen der Bucht vor Schaden durch ankernde Segelyachten zu bewahren
Als wir uns im Dezember 2017 nach einem 660-Seemeilen-Törn Rapa Iti nähern, wissen wir nicht, was uns erwartet. Die kleine Insel hat keinen Flughafen, das einzige Versorgungsschiff kommt nur einmal im Monat vorbei, Touristen gibt es nicht. Im Internet findet sich daher kaum Info, unser „South Pacific Anchorages“ Segelführer warnt in einem kurzen Absatz vor starken Fallwinden und schlechtem Haltegrund in totem Korallengeröll. Die Hauptbucht ist nach Osten hin weit offen, aber durch ein davor liegendes, weit gestrecktes Riff perfekt geschützt. Ein gut markierter Kanal führt in die tiefe Bucht, links und rechts ein Dörfchen, direkt dahinter steigen kiefernbewaldete Hänge zu schroffen Gipfeln auf; wir fühlen uns eher wie auf einem Alpensee als auf einer Südseeinsel.
Bei der Suche nach einem Ankerplatz stellt sich heraus, dass der Boden tatsächlich tief und uneben ist (25 bis 30 m), genau wie auf unseren Seekarten (Garmin, Navionics und C-Map) verzeichnet. Von den großen, seichten Flecken, die auf den Karten versprochen werden, fehlt jedoch jede Spur. Wir müssen viele Runden drehen, ehe wir ein größeres Plateau in 12 bis 15 Meter Tiefe finden. Wir ankern und versehen die Ankerkette routineweise mit Bojen, um ein Verheddern in den angeblich toten Korallenbrocken zu vermeiden. Vorsichtshalber tauchen wir auch nach dem Anker – und trauen unseren Augen kaum: Die seichteren Teile der Bucht sind von einem dichten Teppich aus zarten Hirschgeweihkorallen überzogen, in dem unser Anker vergraben ist. Wir dokumentieren per Foto die Schneise der Verwüstung, die unsere Kette bereits gezogen hat, in den tieferen Becken finden wir Schlick, gemischt mit Korallenbrocken. Da ist guter Rat teuer. Für uns als umweltbewusste Cruiser ist das Ankern in lebenden Korallen ein Albtraum, aber schlecht haltender Schlick auch kein Spaß. Eine Festmacherboje scheint die einzige Lösung zu sein, um andere Segler in Zukunft vor dieser vertrackten Situation zu bewahren.
Bewaffnet mit einer Liste von Argumenten in vorfabrizierten französischen Phrasen werden wir daher ein paar Tage später beim Bürgermeister vorstellig. Wir sind auf eine langwierige Diskussion eingestellt, aber der freundliche Polynesier, der hinter dem Schalter am Postamt arbeitet und ist somit für Parteienverkehr immer zugänglich ist, stimmt uns nach einem kurzen Blick auf unsere Beweisfotos sofort zu: Hier muss dringend etwas unternommen werden! Von anderen Aufenthalten in der Region wissen wir, wie zäh Projekte auf den Inseln anlaufen und wie schnell sie wieder ins Stocken geraten, daher bleiben wir skeptisch. Doch Oparo, wie die Einheimischen Rapa Iti nennen, ist anders. Obwohl die 500 Insulaner ihre Traditionen hoch halten, sind sie Neuerungen gegenüber aufgeschlossen, sofern sie Sinn machen und Verbesserungen bringen. Während die größeren Nachbarinseln an ihrer wackeligen Infrastruktur basteln, hat das winzige Oparo ein zentrales Trinkwassersystem installiert, Müll wird getrennt und zum Recycling verschifft, die Tankstelle steht auf einem Auffangbecken und die lokale Umweltschutzorganisation plant eine Aufforstung mit endemischen Pflanzen.
Aufgrund der abgelegenen Lage ist es die Inselgemeinde zudem gewohnt, ihre Ressourcen zu nutzen und eigenständige Lösungen zu finden. Anstatt Anträge zu stellen und auf Hilfestellung aus Tahiti oder von Entwicklungsorganisationen zu warten, schreitet man lieber selbst zur Tat. Noch am selben Tag treffen wir uns mit Alexandre, dem Chef der Gemeindearbeiter, zu einem Brainstorming; kommuniziert wird in einem Gemisch aus Französisch und Englisch und mit viel Pantomime. Keiner von uns hat je zuvor eine Muringboje installiert, also recherchieren wir erst einmal im Internet, zeichnen Skizzen und suchen auf dem Schrottplatz nach verwertbarem Material. Schließlich entscheiden wir uns wegen des schwierigen Bodengrunds für ein zwei Tonnen schweres Betongewicht; Teile eines ausgemusterten Baggers sollen als unzerstörbares Auge für die Kette dienen und mit einzementiert werden. Was fehlt, sind Schäkel und Wirbel, die wir in Tahiti bestellen müssen, daher kommen die Aktivitäten vorerst zum Stehen.
Wir bleiben noch mehrere Wochen auf der Insel, nehmen an diversen Brauchtumveranstaltungen und Festivitäten teil, unternehmen ausgedehnte Wanderungen und Schnorchelausflüge. Im Jänner 2018 ziehen wir schließlich weiter; das von uns initiierte Projekt müssen wir unvollendet zurücklassen.
Fortsetzung folgt
Als wir im Dezember 2018 nach Rapa Iti zurückkehren, halten wir Ausguck nach einer Festmacherboje, können aber weit und breit nichts davon entdecken. Haben die Insulaner das Interesse daran verloren? Unmittelbar nach unserer Ankunft marschieren wir mit gemischten Gefühlen zum Werkhof, wo uns Alexandre voll Enthusiasmus und Tatendrang begrüßt: Die vor rund einem Jahr bestellte 16-mm-Kette und die extrastarken Schäkel wurden endlich geliefert, zwei riesige Betonblöcke stehen bereit und Alexandre freut sich, seine Mitstreiter wieder vor Ort zu haben.