Gemeinsam einsam
Belize bietet alle Vorzüge der Karibik – stete Passatwinde, tropisches Klima, üppige Fauna und Flora – ist aber deutlich weniger überrannt. Hier findet jeder seine persönliche Schatzinsel
Als 2001 Hurrikan Iris mit 233 km/h die Gegend um Placencia verwüstete, deutete nichts daraufhin, dass dieses Ende gleichzeitig ein Anfang sein könnte. Rund 95 Prozent aller Häuser wurden damals beschädigt, 22 Menschen verloren ihr Leben. Doch der Wiederaufbau lockte Investoren an und war der Startschuss für die touristische Entwicklung der Region.
Auch das kreolische Dorf Monkey River Town, acht Seemeilen südlich von Placencia, in dem Dream Yacht Charter seine Basis hat, wurde damals komplett zerstört, der umgebende Regenwald platt gemacht und die Population der dort ansässigen Brüllaffen radikal dezimiert. 18 Jahre nach der Naturkatastrophe ist nichts von alldem auch nur zu erahnen. "Hier ist kein einziger Baum mehr gestanden", erzählt Jeremy, der uns über den Monkey River kutschiert, und deutet auf das dichte, üppige Grün. Als wäre nichts gewesen, ragen mächtige Baumkronen in den Himmel, hängen Farne und Sträucher über den Fluss, hallen die Schreie der Brüllaffen durchs Gebälk und lassen sich Krokodile die Sonne auf den gepanzerten Rücken scheinen.
Der ehemals beliebte Ankerplatz bei Great Monkey Cay wurde jedoch von Iris schwer in Mitleidenschaft gezogen. Wir haben unsere Lagoon 421 Cavok daher in einer Mangrovenbucht mit der wenig klangvollen Bezeichnung No Name Point verankert. Hier sind wir zum ersten Mal mit den Tücken des Reviers konfrontiert: Die in der Seekarte eingezeichneten Konturen haben mit der Realität nicht viel gemein. Die letzten kartographischen Vermessungen wurden in dieser Gegend 1989 durchgeführt, einige Lotungen basieren überhaupt auf Daten des 19. Jahrhunderts. In der Zwischenzeit haben Hurrikans Inseln gespalten oder weggeblasen, sind Riffe neu entstanden, Sandbänke gewandert und Mangroven gewachsen. Kurzum – man tut gut daran, die Karte weitgehend zu ignorieren und stets einen Respektabstand von den Mangroven zu halten.
Für unseren ersten Ausflug in die Welt der Cays haben wir uns ein einfaches Ziel ausgesucht. Der Weg nach Osten führt geradeaus durch ausreichend tiefes Wasser. Da der Wind nur schwach und noch dazu genau von vorne weht, legen wir die 18 Meilen nach Ranguana Cay mit Motorunterstützung zurück. Vor der nicht einmal einen Hektar großen Trauminsel liegen drei Muringbojen. Wir schnappen eine und stürzen uns ins Wasser, um uns von der Qualität der Verankerung zu überzeugen.
Sofort wird klar, dass Belize seinen Ruf als Unterwasserparadies zu Recht hat. Vor uns tauchen zwei Delfine ab, über die Seegraswiesen schweben Rochen aller Art und um die Riffblöcke tummeln sich farbenfrohe Fische. Kein Wunder, dass Ranguana auch bei Anglern ein beliebtes Ziel ist. Sie stehen im knietiefen Wasser auf der vorgelagerten Sandbank und fischen nach bone fish (Grätenfischen). Diese dürften auch am Speiseplan der zahlreichen Pelikane stehen, die sich immer wieder wie Kamikaze-Piloten ins Wasser stürzen.
Für den Zutritt auf die Insel werden eigentlich pro Person 10 US-Dollar kassiert. Wer so wie wir ein Abendessen vorreserviert hat und an der Boje (20 USD pro Nacht) liegt, muss hingegen nichts bezahlen. Dafür, dass wir die ganze Insel bis auf ein paar Fischer ganz für uns alleine haben, wird zum Glück keine Extra-Gebühr eingehoben.
Saisonarbeit
In Belize wird nicht nur zwischen Regen- und Trockenzeit unterschieden, sondern das Jahr auch in Muschel- oder Hummersaison eingeteilt. Um Überfischung zu verhindern, dürfen Conch und Lobster, bei dem es sich eigentlich um Langusten handelt, nur von Apnoetauchern gefangen werden. Einer von ihnen verkauft uns fast einen Kilo Conch-Filet für 15 US-Dollar. Frischer geht es kaum. Der Koch von Ranguana Cay verwandelt das zarte Muschelfleisch in köstliche Ceviche, die wir mit den Zehen im Sand zusammen mit Shrimps, Kochbananen und Kokosnuss-Reis unter einem Palmendach verspeisen.
Den Conch-Fischern begegnen wir auch auf unserem Weg Richtung Norden. Immer wieder sieht man ihre Einbäume auf dem Wasser treiben. Es fällt uns schwer, an so wunderschönen Palmeninseln wie Pompion und Round Cay vorbei zu segeln, aber wir können es nicht erwarten, zu den viel gepriesenen Silk Cays, auch unter dem Namen Queen Cays bekannt, zu kommen. Statt der drei Inseln, die in der Karte eingezeichnet sind, finden wir interessanterweise vier Eilande vor. Auf der größten, südlich gelegenen Insel mit dem besten Ankergrund tummeln sich schon in den frühen Morgenstunden Tagesgäste, Schnorchler und Taucher, die im Minutentakt vom Festland herangekarrt werden. Eine Insel weiter gibt es zwar keine Palmen, dafür Ruhe und einen strahlend weißen Sandstrand nur für uns alleine. Das Robinson-Crusoe- Feeling können wir allerdings nicht lange genießen. Ein Boot mit Nationalpark-Rangern gesellt sich zu uns. Die Nationalpark-Gebühr von zehn US-Dollar pro Person hätten wir gerne gezahlt, aber die Vorschrift, hier nur mit einem lokalen Guide schnorcheln zu dürfen, schreckt uns ab und wir verholen uns zur Nachbarinsel Hatchet Cay, die, seit sie im Besitz eines Bitcoin-Millionärs ist, Ray Cay genannt und auf Vordermann gebracht wird.
Eine weise Entscheidung, denn schon bald frischt der Wind merklich auf. Am Abend und in der Nacht zieht eine Front aus Ost über uns.