Badewanne mit Wellenschlag
Ein Sardinien-Törn kann seine Tücken haben. Doch das Revier ist so atemberaubend schön, dass es sich lohnt die Herausforderung anzunehmen, findet Oliver Jaindl
Die angezuckerten Berge rund um den Flughafen Salzburg kündigen bereits den kommenden Winter an. Das war’s mit dem Segelsommer? Nein! Einmal geht’s noch, nämlich in den Süden, konkret nach Sardinien, in die Straße von Bonifacio, die den Seglern mit ihrem Düsen-Effekt ebenso viel Respekt einflößt wie die berüchtigten Bora-Schneisen in Kroatien.
Nach einer Stunde Flugzeit landen wir in Olbia. Es ist Mitte Oktober, Nachsaison also. „Wir weisen darauf hin, dass der Supermarkt in der Marina Portisco bereits geschlossen hat“, lautete der Hinweis der Charter-Agentur. Guter Tipp, denn die Marina liegt so weit von der nächsten Einkaufsmöglichkeit entfernt, dass man ohne fahrbaren Untersatz unmöglich den Proviant für sieben stattliche Segler besorgen könnte. Also erledigen wir das am Weg vom Flughafen nach Olbia, der Transfer dauert rund eine halbe Stunde, wurde vorab organisiert und kostet eine Pauschale von 70 €. „Können Sie kurz vor dem Supermarkt anhalten?“, fragen wir den Fahrer höflich. „Na klar doch“, entgegnet er freundlich. Macht allerdings einen Euro pro Minute Wartezeit extra …
In der Marina werden Skipper und Co-Skipper zur Schiffsübergabe gebeten. Der perfekt deutsch sprechende Mitarbeiter der Charterfirma kommt zu allererst ohne Umschweife auf die Gefahren einer Grundberührung zu sprechen, dann geht es mit einem Express-Kurs in Bootstechnik weiter. Unsere Josefina, eine Cyclades 50.5, hat elf Jahre am Buckel, da kann der Motor schon mal Probleme machen. Deswegen wurde ihm eine Art „Windel“ in Form eines Stofftuchs in der Motorenbilge verpasst – so lässt sich ein etwaiger Austritt von Öl oder Diesel einfach feststellen. Nicht ungeschickt gelöst! Unser Vertrauen, das beim Blick in die trübe Suppe, die in der Bilge schwimmt, leicht angeknackst war, ist damit wieder hergestellt.
Beim Skipper-Briefing sind Grundberührungen erneut Thema Nummer 1. „Denken Sie nicht einmal daran hier durchzufahren!“, schärft uns der Instruktor ein, während er per Stechzirkel auf einer großen Seekarte diverse Routen skizziert. In diesem Revier scheint es vor Untiefen nur so zu wimmeln. „Eine davon ist besonders gemein“, verrät uns der Tutor. Sie liegt vor der Insel Caprera im nördlichen Maddalena-Archipel, einige hundert Meter vom Ufer entfernt; die Felsen reichen bis einen Meter unter die Wasseroberfläche. „Hier gibt es jedes Jahr schwere Unfälle mit komplett zerstörten Yachten und verletzten Seglern – very dangerous!“
Aber Segeln ist nicht nur gefährlich, sondern auch wunderschön. Und das gilt erst recht für Sardinien, wo zahlreiche „Badewannen“ auf uns warten, wie unser Tutor die Buchten mit Sandgrund und intensiv türkisfarbenem Wasser in schwärmerischem Tonfall bezeichnete.
Nur kein Risiko
Also: Auf zu den Badewannen! Bei schönstem Wetter legen wir tags darauf ab und motoren Richtung Norden. Mit Hilfe von GPS, der Seekarten der Charterfirma und unserer eigenen Seekarten dirigieren wir die Josefina in sicherer Entfernung um alle Untiefen herum. Sie sind mitunter – wenn überhaupt – mit erstaunlich kleinen Kardinal- oder Einzelgefahr-Symbolen gekennzeichnet. Interessant auch die „italienische Variante“ eines Einzelgefahrzeichens: Auf die seichte Stelle wird einfach ein zylindrischer Behälter (Ölfass?) gestellt. Den füllt man mit Beton und sagt allen Seglern, dass sie auf den (bei Nacht unbeleuchteten!) Betonklotz mitten im Meer achten sollen. Zum Beispiel, wenn sie Porto Cervo anlaufen. Interessant, wie gesagt.
Die Bucht Cala di Battistone an der Nordseite von Sardinien entschädigt für das stundenlange Schwenken des Blicks zwischen Seekarten, GPS und Tiefenmesser.