Wie im Flug
Abwechslungsreiche Ziele, kurze Distanzen, einmalig schöne Landschaft und beständiger Wind machen die Seychellen zu einem Segelrevier, in dem die Zeit schneller vergeht als einem lieb ist.
Motor aus. Nur noch das Rauschen der Wellen hören, spüren, wie Schiff und Wind in einen Gleichklang finden. Für mich immer der schönste Moment, speziell am ersten Tag eines Törns, eine Art Verheißung für kommende Segel-Freuden. Am Vormittag haben wir in der Eden Island Marina, die auf einer künstlich angelegten Insel vor der Ostküste von Mahé liegt, eingecheckt. Die Übergabe des 40-Fuß-Kats verlief professionell und effizient, die superfreundliche Mitarbeiterin im Sunsail-Büro versorgte uns noch mit ein paar guten Tipps. Letzte Hürde, die es zu nehmen galt, war der Großeinkauf, den wir in dem ausgezeichnet sortierten Spar-Supermarkt im Marinegelände erledigten. Mit drei bis obenhin vollgeladenen Wagerln durften wir direkt zu unserem Liegeplatz rattern; praktischer geht es nicht. Flugs war alles verstaut, wir lösten die Leinen, tuckerten an dem Luxus-Resort, das zur Marina gehört, vorbei, warfen neugierige Blicke auf die gepflegten Villen und Gärten und ließen die ersten Untiefen hinter uns. Auf Höhe der Ile au Cerf setzten wir die Segel. Motor aus. Schönster Moment.
Jetzt lassen wir uns genussvoll den warmen Südost-Monsun um die Nase wehen und runden in bester Laune den Nordzipfel von Mahé. Unser Ziel ist die Baie Beau Vallon, die bei dieser Windrichtung guten Schutz bietet. Auf der Suche nach einem möglichst ruhigen Platz für die Nacht – durch die Einsattelungen in den grün bewaldeten Hügeln fauchen immer wieder heftige Fallböen – landen wir im westlichen Teil der Bucht vor einem kleinen Fischerhafen und lassen auf fünf Meter Tiefe den Anker fallen. Es ist halb sieben, die Sonne geht schon hinter den Inseln Silhouette und North unter und färbt den Himmel in dramatischem Orange, daher verwerfen wir den ursprünglichen Plan, hier an Land zu gehen. Mit dem Dingi bei Dunkelheit unbekanntes Terrain zu erkunden, scheint uns keine gute Idee, also bleiben wir an Bord, werfen den Herd an, köpfen unter fremden Sternbildern die eine oder andere Flasche vom Beachhouse, einem süffigen, südafrikanischen Sauvignon Blanc mit hübschem Seestern-Etikett, den man hier überall bekommt, und lassen uns irgendwann in den Schlaf schaukeln.
Bilderbuchkulisse
Heute steht die Überfahrt zur Insel Praslin auf dem Programm, das sind rund 25 Seemeilen, für die wir bei besten Bedingungen – vier bis fünf Beaufort, hohe Wellen – etwas mehr als vier Stunden benötigen. Wir wechseln uns am Steuer ab, unser Trimmbeauftragter, immerhin mehrfacher Staatsmeister in einer olympischen Klasse, optimiert unbeirrt und voll Elan sämtliche Einstellungen. In eine Rennziege verwandelt sich der gutmütige Kat deshalb nicht, aber er läuft zu persönlicher Höchstform auf und schenkt uns echten Segelspaß. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Anse Lazio, die sich in weitem Bogen in die Nordküste von Praslin schneidet. Wow. Bei diesem Anblick bleibt auch den Weitestgereisten unserer Gruppe der Mund offen stehen. Weißer Pudersand, dahinter hohe Kokospalmen und dicht belaubte Takamaka-Bäume, davor glasklares, türkisfarbenes Wasser. Dunkle Granitfelsen, vom ewigen Gang der Gezeiten blank poliert und rund geschliffen, wirken wie dekorativ drapiert und geben dem Bild das gewisse Etwas. Kein Wunder, dass dieser Strand immer wieder zu den schönsten der Welt gewählt wird und als Schauplatz für einschlägige Werbespots diente. Etwa ein halbes Dutzend anderer Kats liegt hier bereits vor Anker, wir reihen uns in gebührendem Abstand ein und lassen ungeduldig das Dingi zu Wasser. Jetzt aber Landausflug! Der gestaltet sich aufgrund der Brandung, die von weit her über den Indischen Ozean anrollt, abenteuerlich. Wir haben unsere liebe Not, das Beiboot aufrecht zu halten, bis wir am Strand landen, sind alle waschelnass; bei Temperaturen knapp unter 30 Grad zum Glück kein Problem. Im Scheitel der Bucht liegt hinter den Palmen das Chevalier Bay Guesthouse mit angeschlossenem Restaurant. Es hat unterirdisch schlechte Online-Bewertungen, aber wir wollen uns selbst eine Meinung bilden und einen Tisch reservieren. Während wir noch diskutieren, wie wir am Abend trocken an Land kommen könnten (später entdecken wir, dass es am südlichen Ende der Bucht einen ruhigen Abschnitt gibt, wo man problemlos anlanden kann), erledigt sich das Thema von selbst: „Bis auf weiteres geschlossen“, steht auf einem Schild geschrieben. Okay, dann kochen wir halt wieder selbst; nur gut, dass wir auf Eden Island ordentlich gebunkert haben. Nach einer ausgiebigen Schwimm- und Schnorchelrunde sowie einem am Vorschiff genossenen Sundowner machen sich die Damen in der Pantry an die Arbeit; die Herren haben sich für den Abwasch gemeldet. Die Gewürzmischung, die wir in der Hauptstadt Victoria am Markt gekauft haben, leistet gute Dienste, wir zaubern ein köstliches, genau richtig scharfes Gemüse-Curry auf den Tisch, das auch den Fleisch-Tigern schmeckt. Nach dem Essen statten uns zwei Katzenhaie einen Besuch ab und sausen zwischen den Rümpfen hin und her. Wir leuchten mit der Taschenlampe ins Wasser und bewundern ihre geschmeidigen, beinahe tänzerischen Bewegungen. Besser als jede TV-Doku.
Welt der Kröten und Krabben
Curieuse liegt keine zwei Seemeilen in Norden der Insel Praslin und war vermutlich einmal ein Teil von ihr; dafür sprechen ihre Form und die geringe Wassertiefe im Kanal dazwischen. Wir haben in der Anse St. Jose geankert, mit dem Dingi übergesetzt und stehen jetzt vor dem so genannten Doctor’s House.