Seetest im rumreichen Norden

Ein Reisebericht über Schildbürger, Falschfahrer, Truckfehler, Slip-Betriebe und Turteltäubchen

Seetest im rumreichen Norden

Mit dem Auto nach Glücksburg an die Ostsee. Was tut man nicht alles für ein feines Segelerlebnis in einem ganz besonderen Revier. Rum-Regatta mit der Traditionsyacht eines dänischen Freundes in der Flensburger Förde. Auf der Kreuz gut zwanzig Mal von Deutschland nach Dänemark und zurück. Wer während dieser Grenzschläge die Übersicht verliert, der lässt sich in einer der beiden traditionsreichen Rum-Manufakturen der Stadt Flensburg volllaufen.

Begonnen haben die zwölf Stunden und 1.200 Kilometer in den Norden um vier Uhr früh. Frühstück in München um acht Uhr. Dort entnehme ich der Zeitung Münchner Merkur: „Der Landesinnungsverband des bayerischen Augenoptikerhandwerks fordert verpflichtende Seetests für Jäger. Der Gesetzgeber dürfe vor diesem Problem nicht länger die Augen verschließen."

Die Jäger dürfen das schon gar nicht, finde ich. Und auch nicht die Journalisten. Wobei das Wort „Seetest“ statt „Sehtest“ vielleicht auch nur dem Wunsch des bayrischen Schreiberlings entsprungen ist, selbst an die Ostsee zu fahren, also ein ganz bewusster Druckfehler ist.
Apropos Truckfehler: Kurz nach Würzburg überhole ich einen Truck mit einem Motorboot auf dem Anhänger. Die Luxusschnitte ist grau lackiert wie ein Kriegsschiff und trägt den überaus geschmackvollen Namen Bin Baden. Sehr gern würde ich den unsagbar humorvollen Besitzer kennenlernen und ihn mit einer Gruppe sehschwacher Jäger auf die Pirsch schicken. Das Wort „Zielgruppe“ bekäme so eine völlig neue Bedeutung.

Talkshow im Radio auf Welle Irgendwas, irgendwo in der Nähe von Hildesheim. Der Moderator begrüßt die berühmte Tochter eines berühmten Mannes – ich hab von beiden noch nie gehört – mit den Worten: „Der Apfel fällt nicht weit vom Strom.“ Nun, manche Radiomacher schwimmen halt konsequent gegen den Stamm. Passenderweise folgt eine Falschfahrermeldung. So nennt man hier die Geisterfahrer.

Um dem Falschfahrer nicht tatsächlich zu begegnen und dann womöglich mit Johnny Depp auf einem Geisterschiff segeln zu müssen, lege ich eine Kafffe-Pause ein. So nennt man hier den Kaffee. Im Vorgärtchen der Raststation steht ein gelbes Schild mit der Aufschrift: „Bitte Hunde-Kot-Beutel verwenden!“ Das Wort „Hunde-Kot-Beutel“ führt dazu, dass ich mein halbes Käse-Sahne-Törtchen stehen lasse. Ist unser „Sackerl fürs Gackerl“ nicht doch a bisserl appetitlicher? Abgesehen davon kommt „Hunde-Kot-Beutel“ einem sehr beliebten Wiener Schimpfwort verdammt nahe.

Nach deutschem Vorbild hat die Stadt Wien neulich eine schriftliche Gebrauchsanweisung für das Gackerlsackerl publiziert. War ja auch höchste Zeit! Irgendwann werden wir hoffentlich auch ein detailliertes Handbook für diese mysteriösen dreifärbigen Laternen an den Kreuzungen erhalten.

Was Schilder betrifft, sind die Deutschen naturgemäß viel gründlicher. Man könnte sie sogar als Schildbürger bezeichnen: „Achtung! Slip-Betrieb. Radfahrer absteigen!“ steht auf einem Schild gleich bei der Einfahrt zur Marina Glücksburg. Gut, als Segler weiß man, was „Slip-Betrieb“ bedeuten könnte. Doch ein konditionsschwacher Mountainbiker, der an die Ostsee fährt, weil hier schon etwas höhere Bordsteine (so heißen hier die Gehsteigkanten) als Berge bezeichnet werden? Der würde angesichts besagter Tafel aus dem Sattel springen und sich erfolglos nach einer Damenunterwäsche-Fabrik umschauen! Diese Vorstellung finde ich jedenfalls bedeutend amüsanter als so manchen Schiffsnamen, der mir an der Ostsee ins Auge sticht. Greif von Uckermünde, Mausifalle, Minna von Pfote, Pusteblume, Moorhühnchen, Turteltäubchen, Herzilein etc.
Und dann steht da auch noch Bin Laden auf dem Kran eines Frachters. Wo sind bloß die sehschwachen Jäger, wenn man sie braucht? Zum Glück gibt es wenigstens jede Menge Rum.

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