St. Kilda

Die abgelegene, zu Schottland gehörende Inselgruppe im Nordatlantik ist ein ebenso ungewöhnliches wie schwieriges Segelrevier. Paul Pollack wagte sich dennoch hin und erlebte sein blaues Wunder

St. Kilda

„What the hell are you doing in St. Kilda?“, wollte der Vercharterer wissen. Das ist Englisch und heißt auf Deutsch so viel wie: „Was in drei Teufels Namen wollt ihr in St. Kilda?“ Ob Deutsch oder Englisch – für mich war schon die Frage falsch. Sie hätte lauten müssen: „Where the hell is St. Kilda?“

Google nennt St. Kilda eine isolierte Inselgruppe im Atlantik, rund 45 Seemeilen nordwestlich von Schottland. Auf einem großen Globus findet man St. Kilda auf 8,39° W und 57,5° N, unserem Kälteempfinden nach also knapp unter dem Polarkreis. Auf einem mittelgroßen Globus ist St. Kilda gerade noch ein Fliegenschiss, wenn es hoch her geht mit der Abkürzung S.K. versehen. Auf einem kleinen Globus verschwindet der Fliegenschiss samt S.K. im Meer, wie die sagenhafte Insel Atlantis. Trotzdem behauptete ein Fliegenschiss-Experte aus unserem Kreis, man könne nach St. Kilda segeln. Von Oban, oder besser der Marina Dunstaffnage, südlich an den Hebriden-Inseln Mull, Tiree und Barra vorbei, direkt hinaus in den Atlantik. Es wäre halt ein langer Schlag. 168 Seemeilen.

In diesem Moment hätten wir hellhörig werden müssen. Und erst recht angesichts der Fakten, mit denen uns der Experte nach und nach konfrontierte. 11° Celsius Durchschnittstemperatur im Juni (also doch gleich unterm Polarkreis), häufig Regen, Nebel und Starkwind, dazu eine unberechenbare Atlantikwelle, Tidenhub von vier Metern sowie magnetische Anomalien. Auch ein Blick in eine Seekarte hätte genügt um „nein, danke“ zu sagen. Dort sind auf den ersten Blick nur Untiefen zu sehen, gespickt mit Riffen ober und unter Wasser. Und es wird vor Strömungen gewarnt, die mit wechselnden Richtungen zwischen den Inseln durchrasen. Ja, rasen, denn die „races“ und „eddies“ und „dangerous overfalls“ sind nichts anderes als Stromschnellen, Strudel und gefährliche Brecher. Und das in einem Land, in dem man eine unmögliche Sprache spricht: Gälisch. Ist Schottisch schon so etwas wie Tirolerisch auf Englisch, dann ist Gälisch Stottern mit Anlauf.

Doch unser Experte verstand es meisterhaft all das so zu verpacken, dass es nach notwendigen Zutaten für eine außergewöhnliche Vergnügungsreise klang; läppische Herausforderungen für gestandene Segler wie wir. Und avancierte damit vom Fliegenschiss-Experten zum Kommodore einer Flotte von zwei Yachten sowie zwölf Verrückten, die sich dem Abenteuer stellen wollten oder naiv genug waren zu glauben, es ginge überhaupt nur darum feine schottische Destillate zu verkosten.

Ziel für Zielstrebige

Der Weg ist das Ziel. Dieser abgelutschteste Sager aller Segler trifft auf St. Kilda definitiv nicht zu. St. Kilda ist ein Ziel. Ein einlullendes Schönwetterfenster am ersten Tag ließ uns die dunklen Andeutungen des Kommodore während der Vorbereitungsphase auf der Stelle vergessen. Doch mit Einbruch der Dämmerung frischte der Wind auf, keine Stunde später wurde das dritte Reff eingebunden. Es wehte, regnete und gischtete. Die Sicht war nebelig schlecht. Millionen von Regen-und Salzwasserkristallen auf der Brille erschwerten den Blick auf die tanzende Gradscheibe. Die Kompassbeleuchtung fiel aus, die Stirnlampe musste nach jedem Versuch einen Blick in die Segel zu werfen neu adjustiert werden.

Die kurze Nacht zur Sommersonnenwende ging in einen langen Tag über, mit noch mehr Regen, noch mehr Wind und noch schlechterer Sicht. Unter Deck war alles nass und klamm. Als endlich Stac Levenisch, ein Felsbrocken vor der Hauptinsel Hirta, im Dunst auszumachen war, befreite sich ein gequälter Schrei aus der Brust eines Crewmitglieds: „What the hell are we doing here?“ Denn eines war klar: Ankern vor Hirta bei diesem Wetter – unmöglich. Wir würden die Insel, wenn überhaupt, nur als schemenhaften Spuk erleben und weiter, weiter noch eine Nacht segeln müssen.
Da half eine fröhliche Stimme aus der Misere. Der Kommodore, der mit der zweiten Yacht vorausgeeilt war, meldete über Funk den ersten Manöverschluck nach einem gelungenen Ankermanöver in der Village Bay. Der Stein, der uns vom Herzen fiel, war größer als Stac Levenisch.

Den gesamten Revierbericht inklusive einem mehr als überraschenden Ende lesen Sie in der Yachtrevue 11/2016, am Kiosk ab 4. November!

Der komplette Bericht als PDF-Download:

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