Offenes Geheimnis
Weltpremiere. Beim Yachting Festival in Cannes präsentierte die Frauscher Bootswerft die 1212 Ghost Air. Wir konnten sie vor Port Grimaud testen und fanden ein stimmiges Modell mit vielen durchdachten Details vor
Frauscher-Boote sind vor allem eines: cool. Deshalb assoziiert man beim Anblick der vor drei Jahren präsentierten 1212 Ghost mit ihrer langen Bugsektion aus Teak und der rahmenlosen Scheibe den Jaguar E-Type, deshalb fetzt eine 747 Mirage in einem Werbefilm zu „Spectre“ oder im Film „Far away from Home“ über die Leinwand, wo sie James Bond bzw. Spiderman in Sachen Lässigkeit Konkurrenz macht. Besser kann Imagepflege nicht sein. Wird ein neues Modell designt, steht Praktikabilität daher nicht unbedingt im Zentrum, erklärt Geschäftsführer Michael Frauscher, der in der Werft für Entwicklung, Produktion und Organisation zuständig ist: „Der Kunde soll das Boot kaufen, weil es schön und schnell ist. Nicht weil ihn seine Zweckmäßigkeit überzeugt.“
Am Yachting Festival in Cannes feierte die 1212 Ghost Air Weltpremiere. Wie bei Frauscher üblich, wurde der geschlossenen Version nach ein paar Jahren eine offene Variante mit zentralem Steuerstand zur Seite gestellt. Die Yachtrevue konnte diese noch vor ihrer offiziellen Präsentation am Frauscher-Stützpunkt an der Côte d’Azur testen.
Entwurf mit Weitblick
Was der Laie nicht unbedingt weiß: Der Unterschied zwischen geschlossener und offener Version ist beträchtlich. So wie ein Cabriolet eine Bodengruppe mit Extra-Verstärkungen benötigt, braucht auch ein offenes Motorboot eine wesentlich massivere Struktur, denn das Deck ist der größte und effektivste Querspant, den man sich vorstellen kann. Fällt dieser weg, muss das durch konstruktive Maßnahmen an Spanten und Stringern sowie einen höheren Materialeinsatz beim Laminieren kompensiert werden. Diese Basisarbeit wurde bereits bei der Entwicklung der geschlossenen Ghost miterledigt; ein nachträglicher, nicht von Anfang an mitgedachter Umbau auf eine offene Version würde dem Anspruch der Frauscher-Werft nicht genügen.
Auf den ersten Blick fällt auf, dass man bei der Air den Steuerstand im Vergleich zur geschlossenen Schwester um einen Meter nach achtern gerückt hat. Das hat zur Folge, dass das Cockpit kleiner, aber der als Freiluft-Lebensraum nutzbare Vorschiffsbereich größer ist, und erzeugt beim Fahren eine ganz spezielle Atmosphäre. Cool, cooler, am coolsten, siehe oben.
Entscheidend für ausgewogene Fahreigenschaften ist die Gewichtsverteilung im Boot. Da die 1212 Ghost Air im Bugbereich etwas weniger wiegt, hat man technische Komponenten wie Klimaanlage oder Batterien anders angeordnet, um eine optimale Balance zu erzielen. Die dafür nötigen Berechnungen wurden am Computer erledigt, ob alles tatsächlich so funktioniert, wie geplant, lässt sich aber erst in der Praxis, also beim Fahren beurteilen. „Eine Baunummer 1 ist bei uns immer soweit ausgereift, dass ich sie niemals als Prototypen bezeichnen würde. Dennoch braucht es für die finale Abstimmung einige Stunden am Wasser“, sagt Michael Frauscher. Und nennt in diesem Zusammenhang einen interessanten Aspekt: „Alle unsere maßgeblichen Mitarbeiter haben einen seglerischen Background und das ist ein ganz wichtiger Faktor beim Fine-Tuning. Segler haben ein gutes Gespür für die Bewegung eines Bootes und können zum Beispiel das Plätschern des Wassers entsprechend interpretieren.“