SAY 29E Runaboat Carbon
Das 500 PS starke Elektromotorboot ist weltweit das schnellste seiner Klasse. Mit Kreisel-Batterien befindet sich ein heimisches Unternehmen an Bord
Wechsel in den Insane-Mode. Für Nicht-Tesla-Fahrer: Jetzt werden die maximalen Ressourcen des Elektromotors freigegeben. Im Fall des SAY 29E sind das 500 PS, deutlich mehr als die doppelte Leistung des Sportmodus. Die Auswirkungen auf das Fahrverhalten sind unfassbar. Hebel auf den Tisch – und schon donnert der Kopf ungebremst gegen die Nackenstütze. Macht man nur einmal, dann spannt man die Muskulatur an …
Die brachiale Art der Kraftentfaltung resultiert aus dem Drehmoment, wie es nur Elektromotoren zustande bringen, und gipfelt in einer Höchstgeschwindigkeit von rund 50 Knoten. So beeindruckend der Leistungsnachweis ist, nach 30 Sekunden regelt die Elektronik auf die maximale Dauerleistung von 180 kW (250 PS) ab.
Die Potenzial des SAY 29E wurde eine Woche vor dem Yachtrevue-Test im Rahmen eines offiziellen Rekordversuches am Zeller See bestätigt. Dort betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit nach sechs Fahrten über eine Viertel-Seemeile (463 m) 48 kn, als Topsspeed wurden 51,29 kn gemessen. Sehr, sehr beeindruckend. So wie der Mastermind hinter diesem Projekt.
Liebe zum Material
Karl Wagner hat sich bereits als 14-Jähriger in den Werkstoff Karbon verliebt, in der Garage seiner Eltern Karbonteile gefertigt und als Motorrad-Rennfahrer gelernt an seine Grenzen zu gehen. Diese Fähigkeit brachte er auch bei der Verarbeitung von Karbon ein. Wagner war Experte und Vorreiter in Sachen Kohlefaserverarbeitung und gründete die Firma Carbotech. Deren 700 Mitarbeiter fertigen hochwertige Kohlfaserkomponenten für Rennautos, Flugzeuge und Serienautos. Vor drei Jahren suchte er eine neue Herausforderung und kaufte mit drei Kollegen die auf den Bau von schnellen Karbonmotorbooten spezialisierte SAY-Werft von Sven Ackermann, der die Marke neun Jahre zuvor aus der Taufe gehoben hatte.
Wagners vordergründiges Ziel war es, die teilweise extremen Designs hinsichtlich Gewicht und Verarbeitung zu optimieren. Eine markante Leistungssteigerung einer Yacht lässt sich in erster Linie über massive Gewichtsreduktion zu erzielen. Das predigen alle nautischen Konstrukteure und Leichtbau-Experte Wagner sowieso. Sämtliche SAY-Modelle werden daher in Sandwich im Vakuuminfusionsverfahren gefertigt. Das Besondere dabei ist, dass alle Bereiche des Rumpfes vor dem Laminierprozess strukturell berechnet und jeweils nur so viele Lagen wie nötig verwendet werden. „Geringes Gewicht ist für die Beschleunigung wichtig und bringt einen Dynamik-Vorteil“, doziert Wagner, um im selben Atemzug eventuelle Bedenken hinsichtlich der Festigkeit zu zerstreuen. Alle Verklebungen sind überlaminiert, beispielsweise die Rumpf-Deckverbindung, außerdem unterscheidet sich der Laminatplan des SAY 29E gänzlich von der Version mit Verbrennungsmotor, was mit Gewicht und Positionierung der Batterien zu tun hat.
Wagner, der auch Tesla-Fahrer der ersten Stunde ist, fasziniert das Thema Elektroantrieb seit Jahren und er wollte von Beginn an an vorderster Front dabei sein. In diesem Bestreben halfen ihm seine Kontakte zur Automobilbranche, genauer gesagt zu Kreisel Electric. Die von drei Brüdern gegründete, oberösterreichische Firma, an der auch Arnold Schwarzenegger über seinen Neffen beteiligt ist, gilt als einer der Marktführer für Akkumulatoren und ist als solcher Ausstatter und Miteigentümer des Prototypen.
Aktuell produziert SAY fünf Modelle pro Jahr, Tendenz stark steigend. In den ersten Jahren nach der Übernahme hat sich Wagner auf Werftbau, Design und Engineering konzentriert. Offizieller Verkaufsstart war heuer auf den Messen in Düsseldorf und Tulln. Aktuell liegen mehrere Bestellungen für die SAY 29E vor, Anfang Jänner werden die ersten Serienboote ausgeliefert.
Kraftquellen
Das SAY 29E ist mit zwei in Serie geschalteten Brusa-Drehstrommotoren mit 180 kW Maximal- und 90 kW Dauerleistung bestückt.