The good, the bad and the ugly?*

Auch wenn die Gründe die falschen sind: Die weitgehende Abwesenheit von Boykottforderungen in Verbindung mit Peking 2008 ist wohltuend und macht es Sportlerinnen und Sportlern glücklicherweise leicht, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Leider liegt es nicht an der Einsicht in die Völker verbindende Funktion des Sports oder der Erkenntnis, dass Politik nichts, aber auch schon gar nichts auf dem Rücken der Athleten auszutragen hat. Dominierend ist pure Feigheit: China ist politisch und wirtschaftlich so bedeutend, dass nachteilige Konsequenzen befürchtet werden. Die Sportfunktionäre – auch in Österreich – nehmen sich daran ein schlechtes Beispiel, halten sich bedeckt und legen auf informeller Ebene den Athleten nahe, sich nicht allzu sehr zu profilieren. Österreichs Sommersport-Heroen sind – entsprechend? – „schmähstad“ und beurteilen Protesthandlungen als sinnlos. Markus Rogan, ansonsten bereit zu jeder beliebigen Wortspende, hält sich auffallend zurück. Werner Schlager, Tischtennis-Held mit Kultstatus in China, boykottiert seit 2003 lieber die USA und sieht in Zeichen des Protests allenfalls persönliche Gewissensberuhigung denn effektives Handeln. Roman Hagara lässt immerhin mit einem kritischen Radiointerview aufhorchen, hält aber individuelle Aktivitäten wegen mangelnder Wirksamkeit letztlich für verfehlt.
Bei einigem Verständnis für die Logik der Politik und jedem Respekt vor Entscheidungen des einzelnen Sportlers: Mir persönlich ist das zu wenig. Die Situation in China mit dem hohen Erwartungsdruck in Richtung perfekter Spiele und die kulturbedingte hohe Bedeutung symbolischer Handlungen bilden einen geradezu idealen Rahmen für eine Vielzahl an Aktionen jenseits der massiven, aber einfallslosen „Bleibt-von-der-Eröffnung-fern“-Forderungen: Mannschaftsballspiele beginnen nach offiziellem Anpfiff erst eine Minute später; Ruderer und Segler kentern kollektiv nach Zieldurchgang ihre Boote; Schwimmer organisieren während einer Trainingseinheit ein kollektives Untergehen und bleiben 30 Sekunden regungslos am Boden des Schwimmbeckens liegen; 10.000-Meter-Läufer gehen die erste Runde im Gänsemarsch – weitere Beispiele ließen sich leicht finden, die von der berüchtigten Regel 51 der olympischen Charta über Werbung, Demonstrationen und Propaganda nicht zu erwischen sind, aber bei entsprechender medialer Begleitmusik die Botschaft klar machen.
Einspruch, Euer Ehren, das ist alles für die Katz und bringt doch nichts? Kommt auf die Erwartung an. Klar, Tibet wird – falls das überhaupt ein Ziel sein soll – dadurch nicht frei und keine chinesische Menschrechtsaktivistin zur Staatsheldin. Aber ein Beitrag zu einer möglichen Verbesserung ist es allemal. Und es zeigt, dass es Sportlerinnen und Sportler nicht nur in den Muskeln haben. Wenn Politik tatsächlich die Kunst des Möglichen (Bismarck) sein sollte, dann steht politischem Handeln der Sportlerinnen und Sportler zumindest in Peking nichts im Wege …
* Titel eines Western-Klassikers der späten 1960er von Sergio Leone (im Original: Il buono, il brutto, il cattivo, dt. Zwei glorreiche Halunken) mit Clint Eastwood, Lee van Cleef und Eli Wallach in den Hauptrollen; steht im übertragenen Sinn für eine – manchmal nur scheinbar – klare Rollenverteilung.

Weitere Artikel aus diesem Ressort

Ressort Kreuzpeilung
In Nestroys Lumpazivagabundus wusste Knierim: Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang-lang-lang und das bringt er im Kometenlied auch ikonisch zum Ausdruck. Ob Komet, Klimawandel, Migration oder Finanzkrise – dystopische Entwürfe unserer Zukunft haben Konjunktur, soziale Bewegungen wie Rebellion Extinction oder Last Generation drücken hoch angstbesetzt Sorge um den Zustand der Welt aus.









 

Wie lange steht die Welt noch?

Ressort Kreuzpeilung
Nach den olympischen Segelbewerben in Marseille ein weiteres Highlight: der America’s Cup vor Barcelona. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war gerade die viertägige Proberegatta mit einem Sieg des Titelverteidigers Emirates Team New Zealand über Luna Rossa Prada Pirelli abgeschlossen. Alle Wettfahrten waren live und on-demand auf YouTube verfügbar. Auf dieser Basis drei Beobachtungen und eine Prognose.









 

Faktor Mensch

Ressort Kreuzpeilung
Yachtclubs in Österreich hatten es gut. Direkt am Wasser auf guten bis sehr guten Plätzen, stabile bis wachsende Mitgliederzahlen, Nachwuchs fast automatisch aus den eigenen Reihen. Eine Erfolgsstory?









 

Festung oder Offenheit?

Ressort Kreuzpeilung
Szene 1: OeSV-Generalversammlung im BLZ Neusiedl; die Spitzen der österreichischen Segelclubs schaffen am Vereinstag wichtige formale Rahmenbedingungen. Adjustierung der Männer: kaum Blazer, eine einzige Krawatte. Szene 2: Generalversammlung des Europäischen Segelverbands in Ungarn; Vertretungspersonen der nationalen Segelverbände besprechen die Zukunft des Segelsports in Europa. Adjustierung der Männer: vereinzelt Blazer, vereinzelt Krawatte.









 

O tempora, o mores?

Ressort Kreuzpeilung
Wer kennt sie nicht, die Klagen über den Nachwuchs, der sich grottenolmig viereckige Augen heranzüchtet durch ständiges Online-Sein? Häufig dann der Ratschlag: „Mach doch mehr Sport!“ Aber Achtung, aufgepasst! Diese gut gemeinte Ermutigung kann zukünftig vom Regen in die Traufe führen. Warum? eSports ist massiv auf dem Vormarsch.









 

Couch Potato

Ressort Kreuzpeilung
Der sanft fallende Schnee dämpft die Geräusche von der Straße. Eine Tasse dampfenden Chai Latte – mann entwickelt sich – und ein Buch in der Hand, Vanillekipferl vor mir, Herz, was willst du advent-abendlich mehr.









 

Tiefe Gräben